Heute Morgen las ich einen Tweet, in dem jemand sagte, dass die Alleinlebenden in den aktuellen Statements quasi nicht vorkommen. Es wird gesagt, dass man maximal mit einer nicht im Haushalt oder eben den im Haushalt lebenden Personen zusammen nach draußen darf. Und man soll den Kreis der Kontakte so klein wie möglich halten.
Und während viele in meinem Umfeld durchdrehen, weil sie plötzlich rund um die Uhr mit der gesamten Familie zuhause sind, Kinderbetreuung, Homeschooling und Home Office unter einen Hut bringen müssen und nicht wissen, wie, wann und wo sie jemals wieder eine Sekunde nur für sich haben, habe ich das umgekehrte Problem: Gar keine Sozialkontakte.
Versteht mich nicht falsch: Ich verstehe jeden, der gerade dringend ein bisschen frei von seiner Familie hätte. Ich würde vermutlich meine Mitmenschen umbringen, wenn ich sie rund um die Uhr um mich hätte, egal, wie sehr ich sie liebe.
Aber ich bin jetzt seit viereinhalb Wochen zuhause. Keine Arbeit, kein Sport, keine Verabredungen. Ich habe mich zweimal mit meinem Kletterpartner zum Kaffeetrinken und Schnacken getroffen und einmal mit einer Freundin an der Boulderhalle, als dort Griffe verschenkt wurden, außerdem war ich einmal bei meiner Nachbarin im Garten. Vier soziale Kontakte in mehr als vier Wochen, wenn man vom Einkaufen mal absieht (und ja, es hat Gründe, dass ich inzwischen jeden Tag bei Rewe bin).
Ja, ich telefoniere mehr. Aber das ersetzt keine Umarmungen, kein gemeinsames Klettern, und auch die Gespräche von Angesicht zu Angesicht nur unzureichend. Ich hatte vorher auf der Arbeit Kontakt mit meinen Kollegen, der ist weg (bis auf eine Kollegin, mit der ich gelegentlich Nachrichten schreibe oder telefoniere).
Die Gespräche in der Kletterhalle mit Kollegen und Kunden taten mir gut, auch die Kurse, die Kindergeburtstage, der KletterClub – all das sind soziale Interaktionen, die jetzt wegfallen.
Und obwohl ich mich eher als leicht soziophob und introvertiert sehe, brauche ich doch ein Mindestmaß an Zuneigung. Keinen Menschen zu haben, der in der gleichen Wohnung lebt, ist in Zeiten der Isolation kein Segen mehr, sondern ein Problem.
Dieses Problem haben derzeit viele Menschen. Manche kommen damit klar, manche nicht. Einige setzen sich über die Regeln hinweg, andere folgen ihnen zähneknirschend. Ich verstehe inzwischen jeden, der hin und wieder ausbricht und sich mit Freunden im Park trifft. Ich verstehe sogar, dass manche die Bitte, aufs Reisen und auf Wochenendausflüge zu verzichten, ignorieren. Ich finde es aus pandemischer Sicht nicht gut und kann es nicht gut heißen, aber verdammt, ja, ich verstehe es! Ich verstehe jeden, der seine Eltern, seine Kinder oder Enkel sehen will. Jeden, der irgendwann entscheidet, das Risiko für sich einzugehen. Ich verstehe meine über Achtzigjährige Nachbarin, die täglich ihre Runde zum Kiosk macht, weil sie mal raus muss. Ich halte es nicht für weise, aber ich verstehe es.
Und jetzt hätte ich bitte gerne jemanden, der mich in den Arm nimmt und mir sagt, dass das alles nur ein böser Traum war. Oder alternativ jemanden, der das Jahr neu startet, nachdem er einen Virenscanner hat drüberlaufen lassen.
Bisher war ich recht entspannt mit der Situation, aber ich bin es nicht mehr, und ich hoffe, dass das nur eine Phase ist.
Wie geht es euch? Kommt ihr zurecht? Habt ihr Menschen um euch, mit denen ihr gut auskommt?
Liebe Susanne,
mir geht es auch so.
Ich würde auch gerne mehr herausgehen. Ich wohne in England. Gerade höre ich wieder die Sirenen der Rettungswagen. Ich gehöre zur Risikogruppe und soll mich sozial distanzieren.
Ich wohne zum Glück mit meinem Mann, meinem Sohn und meiner Katze zusammen.
Aber ich gehe nicht mehr einkaufen und überlasse es meinem Mann. Außer meiner Familie sehe ich niemanden mehr.
Aber es muss schlimm sein, alleine in der Stube zu hocken.
Und Gespräche am Telefon ersetzen nicht die wirkliche Begegnung.
Schlimm muss es für die Leute sein, die im Krankenhaus und im Altersheim keinen Besuch empfangen dürfen.
Das Coronavirus ist grausam.
Gemeinsam stehen wir es durch. Es ist ja nicht mehr lange, bis wir wieder heraus dürfen.
Halte durch!
Deine Maria