Rezension Die Insel der besonderen Kinder

Das Buch wurde mir von einer Bekannten empfohlen, die es mit ihren Schülern gelesen hat. Da wir einen ähnlichen Geschmack haben, was Bücher angeht, habe ich es mir gekauft.

Die Geschichte wurde um eine reihe alter Fotografien gewoben, was eine wunderbare Idee ist (ich denke da nur an Walter Moers, der mit „Wilde Reise durch die Nacht“ den Kupferstichen von Gustave Doré ein neues Leben eingehaucht hat).
Jacob ist ein recht normaler Teenager im heutigen Amerika. Er ist nicht besonders beliebt, hat einen guten Freund, der ihn notfalls auch mal mit körperlicher Gewalt vor den Mitschülern beschützt und einen Großvater, der in jungen Jahren aus Europa eingewandert ist. Dieser erzählt ihm Geschichten aus seiner Jugend, aus dem Krieg und von dem Kinderheim, in dem er einen Teil des Krieges verbrachte und wo er glücklich war.
Die wenigen Fotos, die er aus der Zeit gerettet hat, sehen für Jacob mit zunehmendem Alter immer mehr nach Montagen aus. Da ist ein schwebendes Mädchen, ein Junge, der einen Felsbrocken hebt und ein gänzlich Unsichtbarer, den man nur anhand seiner Kleidung sehen kann. Jacobs Großvater Abe erzählt von diesen Kindern, als sei das alles real, und während Jacob als Kind noch gebannt an seinen Lippen hängt, wirft er als Sechzehnjähriger dem Großvater vor, sich das alles nur ausgedacht zu haben. Auch die Monster, vor denen der Großvater ihn warnt und um derentwillen er einen ganzen Schrank voller Waffen hat, entspringen Jacobs Ansicht nach nur der Phantasie des alten Mannes.
Als sein Großvater anruft und dringend um den Schlüssel für den Waffenschrank bittet, lügt Jacob und sagt, er wisse nicht, wo dieser sich befinde. Schließlich fährt er zum Haus seines Großvaters und findet ihn verletzt und sterbend im Wald, aus dem Augenwinkel sieht er ein schreckliches Wesen, das sich entfernt.

Von nun an muss Jacob sich mit einem Psychiater herumschlagen, der ihm helfen soll, das Trauma zu verarbeiten. Doch auch die seltsamen letzten Worte seines Großvaters gehen ihm nicht aus dem Kopf, und schließlich macht er sich mit seinem Vater auf, das Kinderheim zu finden, in dem sein Großvater vor sechzig Jahren untergebracht war.
Sie finden eine kleine irische Insel, skurrile Menschen und Jacob landet schließlich in der verfallenen Ruine, die einst voller Kinderlachen gewesen sein muss. Ein Koffer zieht seine Aufmerksamkeit auf sich, doch das Schloss ist als und verrostet. Seine Idee, den Koffer die Treppe herunterzuwerfen, um ihn zu öffnen, endet damit, dass der Koffer mit solcher Wucht im Erdgeschoss aufschlägt, dass er ein Loch in den morschen Boden reißt und im Keller zerplatzt.
Jacob traut sich hinab, udn während er im Dunklen nach dem Inhalt tastet und weitere Bilder findet, tauchen über ihm Kinder auf und fragen, ob er Abe sei, der zurückgekehrt ist. Jacob folgt den Kindern, die vor ihm fliehen, und muss erkennen, dass nichts gelogen war von dem, was sein Großvater erzählte. Er folgt den Kindern in den Sommer 1940, wo sie immer und immer wieder den gleichen Tag erleben – als einzige jedoch in fortlaufender Folge, so dass sie sich an die Tage erinnern können und jeden Tag aufs Neue frei sind, das zu tun, wonach ihnen ist.

Jacob wird zunächst misstrauisch beäugt und dann zunehmend in die Gemeinschaft integriert, doch er will sein Leben und seine Eltern nicht vollständig zurücklassen. Was er jedoch nach und nach über die Welt dieser Kinder erfährt, die alle eine besondere Begabung haben und sich daher vor den Menschen ohne diese Begabungen verstecken, lässt ihn immer enger mit deren Welt verschmelzen. Und dann müssen sie gemeinsam gegen die Monster kämpfen, die den Kindern nach dem Leben trachten, und Jacob muss sich entscheiden, wohin er gehört …

Das Buch ist spannend, wunderbar geschrieben und rankt sich wunderbar um die alten Fotografien. Allein das Ende hat mich etwas enttäuscht, denn es wirkt, als habe der Autor keine Lust mehr gehabt und wolle schnell fertig werden. Auch im Kampf gegen die Monster, die Hollowgasts, stellen die Kinder sich teilweise schlechter an als sie könnten – wenn vier besondere Begabungen zusammenkommen und darunter eine „übermenschliche Kraft“ lautet, dann sollten die Kinder nicht panisch davonlaufen, sondern tun, was sie aussprechen: Dem Monster die Zähne einschlagen und es fertigmachen.

Am Ende ist so vieles offen, dass ich davon ausgehe, dass der Autor eine Fortsetzung geplant hat. Auf der einen Seite finde ich das gut, weil ich einfach wissen will, wie es mit Jacob, Emma, Millard, Miss Peregrine und all den anderen weitergeht, auf der anderen Seite wünsche ich mir auch einfach mal wieder Bücher, die in sich abgeschlossen sind. Derzeit scheint eine Trilogie-Seuche zu grassieren, und wenigstens eine Fortsetzung ist inzwischen Standard.

Alles in allem bekommt das Buch von mir acht von Zehn Sternen und ich empfehle es gerne weiter.

Ransom Riggs: Die Insel der besonderen Kinder (Original: Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children)
Pan Verlag, 2011 (Knaur-Gruppe)
ISBN: 978-3-426-28368-4
410 Seiten, gebunden

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