Rezension Letztendlich sind wir dem Universum egal und Letztendlich geht es nur um dich von David Levithan

Mehr zufällig bekam ich den zweiten Band in die Finger, las hinein, verstand, dass es einen ersten Teil gibt und lud ihn mir auf meinen Kindle. Und weil beide Bücher so eng miteinander verwoben sind, habe ich auch den zweiten heruntergeladen und gelesen und schreibe die Rezension nun für beide gemeinsam.

A. ist kein normaler Teenager, denn er hat keinen Körper. Oder anders: Er wacht jeden Tag in einem anderen Körper auf und übernimmt für 24 Stunden das Leben der anderen Person. Dennoch hat er eine eigene Persönlichkeit, ein eigenes Gedächtnis und eigene Gefühle -kurz: er ist ein vollständiger Mensch, nur ohne Körper.
Das ist für ihn okay, er kennt es nicht anders. Doch dann begegnet er Rhiannon und verliebt sich in sie. So sehr, dass er immer wieder ihre Nähe sucht und sich ihr offenbart. Und ihre anfängliche Skepsis wandelt sich, bis auch sie die Treffen mit A. herbeisehnt und sich wünscht, es gäbe eine Möglichkeit, mit ihm eine Beziehung zu führen. Aber wie soll das gehen, wenn er doch jeden Tag ein anderer ist?

A wechselt nicht völlig willkürlich den Körper. Eine Regel besagt, dass sein „Wirt“ immer etwa so alt ist, wie er selbst. Eine andere Regel besagt, dass er keine weiten Sprünge vollführt. Dies hat den Vorteil, dass er meistens in Rhiannons Reichweite bleibt (ich glaub, vier Stunden Fahrtzeit waren das Weiteste), aber auch den Nachteil, dass er nicht so einfach zurückkommt, wenn er mit seinem Wirt reist.

So absurd die Idee ist, so faszinierend ist die Geschichte. Ohne A’s Besonderheit wäre es einfach nur eine Teenager-Liebesgeschichte, die auch schon ihren Reiz hätte. So aber kommen haufenweise Aspekte dazu, die einem zeigen, wie selbstverständlich wir vieles nehmen, was es gar nicht ist.

Dazu kommt, dass David Levithan ohne jeden moralischen Zeigefinger Themen wie Untreue, Transgender, Homosexualität etc. behandelt. Seine Figuren sind auf angenehme Weise einfach sie selbst, manche dick, manche dünn, manche depressiv, manche narzisstisch, aber immer authentisch. Auch die Tatsache, dass nicht alle Amerikaner von weißen Europäern abstammen, bringt er völlig unaufgeregt unter.
Weil A. sich selbst als geschlechtslos betrachtet, kann man ihn vermutlich als genderfluid betrachten. Schön finde ich, dass Rhiannon gerade durch die ständig wechselnde äußere Gestalt A’s für sich selbst definiert, womit sie leben kann und womit nicht. Dass sie A immer akzeptiert, aber eben nicht jede seiner Hüllen gleich stark lieben kann. Es wäre mir heuchlerisch vorgekommen, wenn sie „ich liebe dich, egal wie die aussiehst, welchen Bildungsstand und welches Geschlecht du hast“ gesagt hätte. So ist auch hier wieder ein Coming of Age untergebracht, ohne dass in irgendeiner Weise gewertet wird.

Alles in allem mag ich die Bücher sehr und halte sie für sehr gute Jugendbücher. Und weil das Ende in beiden Büchern gleich offen ist, hoffe ich sehr auf eine Fortsetzung.

4,5 Sterne von mir.

Letztendlich sind wir dem Universum egal

  • Taschenbuch: 416 Seiten
  • Verlag: FISCHER Taschenbuch; Auflage: 8 (22. September 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3596811562
  • ISBN-13: 978-3596811564

Letztendlich geht es nur um Dich

  • Taschenbuch: 384 Seiten
  • Verlag: FISCHER Taschenbuch; Auflage: 1 (23. Mai 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 9783596035458
  • ISBN-13: 978-3596035458
  • ASIN: 3596035457

Rezension Die Spiegel von Kettlewood Hall von Maja Ilisch

Vor ein paar Jahren bekam ich Das Puppenzimmer von Maja Ilisch in die Finger und habe es mit wachsender Begeisterung gelesen. Als ich also mitbekam, dass ein neuer Gaslicht-Roman von ihr erscheint, musste ich ihn unbedingt haben (das war das Buch, das ich bestellt habe, um dann gleich zwei weitere mitzunehmen bei der Abholung – ja, ich kaufe Bücher nach wie vor gerne im örtlichen Buchhandel).

Wie auch im ersten Roman begeistert mich hier die Sprache ganz besonders. Maja Ilisch gelingt es, ihrer Protagonistin eine authentische Stimme zu verleihen, die einem das Gefühl gibt, wirklich einer Vierzehnjährigen aus dem späten neunzehnten Jahrhundert zuzuhören, ohne dass es ins Kindliche oder Lächerliche abrutscht. Das alleine macht das Buch zu einem wahren Lesegenuss.

Worum es geht:
Die vierzehnjährige Iris Barling stammt aus sehr einfachen Verhältnissen. Sie ist das uneheliche Kind eines ehemaligen Hausmädchens, das sich und ihre Tochter nun mit der Arbeit in einer Spinnerei über Wasser hält. Sobald Iris alt genug ist, geht sie ebenfalls in der Fabrik arbeiten, und dass die Großmutter zu den beiden Frauen zieht, macht die Situation keinesfalls besser.
Bei einem Unfall in der Fabrik verliert Iris zwei Finger, dennoch geht sie tapfer weiter arbeiten – was soll sie auch anderes tun?
Doch dann stirbt ihre Mutter und Iris muss sich und die Großmutter durchbringen. Zudem wird ein neues Gesetz erlassen, das Kindern nicht erlaubt, länger als acht Stunden zu arbeiten und ihnen zudem zwei Stunden Unterricht am Tag verordnet. Iris sitzt wie alle anderen die Zeit völlig übermüdet im Klassenzimmer ab, lernt mühselig ein wenig Lesen und schreiben, während Handarbeiten ihr aufgrund ihrer verkrüppelten Hand sehr schwer fallen.
Eines Tages erinnert sie sich wieder an die alte Schachfigur, die sie als Kind bei ihrer Mutter fand. Und mit Hilfe ihres Lehrers lernt sie nicht nur die Grundregeln des Schachspiels, sondern findet auch heraus, wo ihre Mutter damals angestellt war. Sie will weg aus Leeds, weg von ihrer garstigen Großmutter und versuchen, ihren Vater zu finden. Und das Geheimnis ihrer Herkunft scheint in Kettlewood Hall zu liegen.

Iris schafft es mit Hilfe ihres Lehrers, dorthin zu kommen und sie wird empfangen wie die längst verlorene Tochter. Nach und nach muss sie erkennen, dass nichts von dem, was sie hier sieht und erlebt, wahr ist, dass alle ihre Geheimnisse und gute Gründe haben, diese vor Iris zu verbergen. Und abgesehen von den zwei riesigen, unheimlichen Hunden, die Iris schon immer in ihren Träumen begegnet sind und denen sie in Kettlewood Hall nun leibhaftig gegenüber steht, lebt etwas in den Spiegeln, nicht greifbar, doch immer aus dem Augenwinkel zu sehen.
Iris beschließt, die Geheimnisse zu lüften und sich auf das Spiel einzulassen, das fünfzehn Jahre lang nur auf sie gewartet zu haben scheint.

Der Roman ist intelligent komponiert und gibt nach und nach erst Preis, worum es wirklich geht. Dass die Perspektive durchgehend auf Iris liegt, macht es besonders vergnüglich, mit ihr mitzuraten, was denn nun wirklich los ist und warum sich die Bewohner Kettlewood Halls so seltsam verhalten. Die vielen kleinen und größeren Anspielungen auf Lewis Carrolls „Alice in Wonderland“ machen den Roman zu einer Hommage an ein Buch, das nicht nur (siehe Nachwort / Danksagung) Maja Ilisch schon sehr lange begleitet, sondern auch mich seit meiner frühesten Kindheit fasziniert hat – so sehr, dass ich vor vielen Jahren ein Seminar in der Anglistik über dieses Buch belegt habe und fasziniert war und bin, wie vielschichtig es wirklich ist. Diese Vielschichtigkeit ist auch Maja Ilisch in ihrem Roman gelungen und ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, weil ich immer tiefer hineingezogen wurde und unbedingt wissen wollte, wie sich am Ende nun alles auflöst.
Dass es keine „Deus ex machina“-Lösung gibt, gefällt mir tatsächlich sehr gut. So kommt das Buch zu einem Ende, lässt dem Leser aber genug Spielraum, die Geschichte in seinem Kopf weiterzuspinnen, ohne dass es lose Fäden gibt, deren Auflösung es noch bedurft hätte.

Tatsächlich mal wieder ein Roman, der von mir ohne Zögern fünf Sterne erhält.

Maja Ilisch: Die Spiegel von Kettlewood Hall
Knaur 2018
ISBN: 9-78-3-426-52078-9
€ 9,99 (D) / €10,30 (A)

Rezension Obsidian – Schattendunkel von Jennifer L. Armentrout

Nachdem ich jetzt lange Zeit nur sehr wenig und vorwiegend Sachbücher gelesen habe, komme ich nach und nach wieder dazu, auch Belletristik zu lesen. Und auch, wenn ich einige Bücher nicht rezensiert habe, weil es mir an Zeit und Muße mangelte, will ich doch endlich wieder damit anfangen.

Obsidian von Jennifer L. Armentrout ist mir schon vor einiger Zeit ins Auge gesprungen (autsch!), aber ich habe es nie mitgenommen. Als ich neulich eine Woche Urlaub hatte und ein bestelltes Buch abgeholt habe, durfte es endlich mit. Ich mag das Wort Obsidian und auch den Stein, den es benennt. Es ist für mich etwas Geheimnisvolles, Dunkles, Märchenhaftes. Vom Klappentext her wusste ich immerhin, dass ich Jugendfantasy in der Hand halte, und ich fühlte mich ein wenig an die Twilight-Serie erinnert. Was nicht grundsätzlich positiv zu sehen ist.

Dann fing ich an zu lesen. Und ja, die Ähnlichkeit blieb. Ein junges Mädchen an der Grenze zum Erwachsenwerden zieht in eine verschlafene Kleinstadt und lernt einen atmberaubend gut aussehenden Typen kennen, der sich ihr gegenüber ekelhaft abweisend verhält. Und dann freundet Katy sich mit seiner Schwester an. So weit, so bekannt. Gähn. Die ständige Betonung, wie unglaublich gut alle aus seiner Familie und seinem Freundeskreis aussehen, ließ mich fast das Buch weglegen. Aber dann war plötzlich etwas anders. Statt einer Damsel in Distress bekam ich ein selbstbewusstes Mädchen, das für sich und ihre Ziele einsteht und dem ekelhaft gut aussehenden und ebenso arroganten Kerl doch tatsächlich Paroli bietet. Die Spaghettiszene (lesen, Leute, ich verrate doch nicht alles!) hat mich zum Schmunzeln gebracht. Und die kleinen Seitenhiebe auf Twilight sowieso.

Und ja, ihre neuen Freunde sind so viel stärker, schöner und toller als sie, dass sie hin und wieder Katy retten, aber netterweise schafft Katy es eben auch, für die anderen einzustehen und mit ihren ganz normalen menschlichen Fähigkeiten Übermenschliches zu bewirken.

Am Ende des Buches ist die Story noch lange nicht vorbei, es folgen noch vier weitere Romane dieser Reihe, und auch, wenn mich das Buch nicht völlig vom Hocker gerissen hat, ließ es sich angenehm genug lesen, um wissen zu wollen, wie es weitergeht. Und ob Katy sich weiterhin behauptet und ihren wunderbar selbständigen Kopf behält.

Fazit: Ein netter Roman für Zwischendurch, ein bisschen in Richtung Twilight, aber ohne das ganze hilfloses-Mädchen-Getue und als Liebe verpacktes Stalking. Gefällt mir, bekommt 3,5 Sterne.

Jennifer L. Armentrout: Obsidian. Schattendunkel
Carlsen Taschenbuch, 2018 (Deutsche Erstausgabe 2014)
ISBN: 978-3-551-31601-1
€ 9,99 (D) / 10,30 (A)

Rezension Sternensturm – Das Herz der Quelle von Alana Falk

Das Buch macht schon optisch etwas her. Hardcover mit einem wunderschönen, haptisch gestalteten Schutzumschlag, der gut zum Inhalt des Romans passt.

Der Roman ist für Jugendliche ab 14 Jahren gedacht, was ich überwiegend passend finde.

Zum Inhalt:
Der Roman ist abwechselnd aus der Sicht von Liliana und Adara geschrieben. Während Liliana die Verbindung mit ihrer magischen Quelle noch vor sich hat, hat Adara diese nicht nur bereits hinter sich, sondern auch einen schweren Schicksalsschlag erlitten, der ihr Denken und Handeln fast vollständig bestimmt.
Liliana ist eine unbekümmerte Achtzehnjährige, die in Auckland lebt und studiert und ihrer Aufgabe als Magierin mit Vorfreude entgegen schaut. Die Magier leben fast unerkannt unter den Menschen und beeinflussen die Natur, um so größere Katastrophen abzuwenden, die die Menschheit immer wieder und immer häufiger bedrohen. Die Welt der Magier teilt sich überwiegend in Magier und Quellen auf, die nur als verbundene Paare Magie wirken können. Es gibt jedoch auch Menschen ohne magische Fähigkeiten in der Gemeinschaft, die zum Teil im Rat sitzen, außerdem gibt es die Wächter, die den Paaren aus Magier und Quelle zugeteilt sind und – so weit ich es verstanden habe – die korrekte Anwendung der Magie überwachen.
Nach und nach verknüpfen sich die Ebenen von Liliana und Adara, worauf es jedoch wirklich hinausläuft, erfährt man erst recht spät. Ich bin verhältnismäßig früh darauf gekommen, was meinem Lesegenuss jedoch absolut keinen Abbruch getan hat.

Während Liliana entgegen ihrer eigenen Einschätzung ziemlich arrogant und herablassend ist, ist Adara gebrochen und nur noch darauf fokussiert, den Schicksalsschlag rückgängig zu machen. Beide haben eine besondere Beziehung zu ihrer Quelle, bei Liliana beginnt diese jedoch mit heftiger gegenseitiger Abneigung. Auch dass der Magiefluss zwischen Chris und ihr anfangs stark blockiert ist und die beiden sich einer lebensbedrohlichen Prüfung unterziehen müssen, macht es nicht leichter, doch letztlich finden sie zueinander und können gemeinsam Magie wirken.

Adara hingegen muss sich irgendwann entscheiden, ob sie egoistisch oder altruistisch handelt, ob sie sich für die Liebe oder für das Wohl der Allgemeinheit entscheidet. Und um diese Entscheidung beneide ich sie absolut nicht.

Ein bisschen schade finde ich, dass manche Dinge nur angerissen, aber nicht erklärt werden. So bewirkt der Magiefluss zwischen Magier und Quelle eine starke körperliche Anziehung, gleichzeitig sind jedoch Beziehungen zwischen ihnen vom Rat strengstens verboten. Es wird jedoch nicht erklärt, woher dieses Verbot rührt, so dass es ein bisschen konstruiert wirkt, um Liliana und Chris künstlich Steine in den Weg zu werfen.

Auch die Hintergründe des Rates werden nicht erklärt (ich hoffe, dass man im zweiten Band mehr darüber erfährt), was mich ein wenig unwillig zurückgelassen hat.

Alles in allem jedoch empfinde ich das Buch als sehr gelungen und habe es regelrecht verschlungen. Alana Falk hat einen sehr angenehmen, flüssigen Schreibstil, der nicht aufgesetzt, sondern sehr natürlich wirkt, und sie ist in der Lage, Landschaften und Orte so so beschreiben, dass ich sie wie einen Film vor meinem inneren Auge sehen kann, ohne je in Neuseeland gewesen zu sein.

Ich hoffe, es ist kein zu großer Spoiler, wenn ich schreibe, dass es mich besonders gefreut hat, eine sehr vielschichtige Figur im Sinne eines Severus Snape im Buch „gefunden“ zu haben. Ich mag es, wenn Figuren dreidimensional angelegt sind und unvorhergesehen handeln, ohne dass sie sich selber dabei untreu werden.

Das Ende war anders, als erwartet, anders, als teilweise erhofft, aber dennoch – oder gerade deshalb – ein sehr gutes Ende.

Ich freue mich auf den zweiten Teil, der leider erst für 2018 angekündigt ist. Übrigens kann der erste Band problemlos für sich alleine gelesen werden, da er zwar einiges offen lässt, aber dennoch in sich abgeschlossen ist.

Alles in allem vergebe ich 4,5 Sterne.

Alana Falk: Sternensturm – Das Herz der Quelle
Hardcover
Arena 2017
ISBN-13: 978-3401602905
€ 16,99

Rezension Die Stadt am Kreuz von Rafaela Creydt

Die Stadt am Kreuz stand schon länger auf meiner Leseliste und hat es nun endlich geschafft, sich nach vorne zu drängeln.

Die Welt, in der die Geschichte spielt, ist wunderbar vielschichtig. Und auch, wenn man in diesem Roman vor allem den Trümmerkontinent kennenlernt und hier die Stadt Duremm, die in einer geologischen Besonderheit erbaut wurde, der Kreuzung zweier Flüsse in einer sonst eher kargen Wüstenlandschaft, so bekommt man doch einen Einblick, der einem zeigt, dass diese Welt noch um einiges größer ist.

Zu Beginn lernen wir Tresten kennen, dessen Verlobte von ihrer N’Duma Dahn (einer Art Leibwache) getötet wurde. Tresten ist untröstlich über seinen Verlust, und als Teklija na Kamatasai nicht zum Tode verurteilt, sondern lediglich nach Duremm in die Verbannung geschickt wird, bricht er mit seiner Familie, denn seine Mutter ist die oberste Richterin zur Rechten und hat das Urteil verkündet.

Trost findet er nur bei Raika, seiner besten Freundin und Tochter des Gerichtshofes zur Linken, weshalb diese beiden sich nicht einmal kennen dürften – damit unabhängige Urteile möglich sind, ist jeglicher Kontakt zwischen den beiden Gerichtshäusern verboten.

Und dann sind wir zwei Jahre später mit Teklija in Duremm. Erleben mit ihr die wahnwitzige Architektur der Stadt, die zum Teil in den Fels geschlagen und zum Teil an Seilen aufgehängt über den Flüssen schwebt. In einem schwebenden Wirtshaus hat sie Unterschlupf gefunden und nutzt eines Tages ihre Chance, als es zu einer Schlägerei kommt (an der sie nicht ganz unschuldig ist), um sich einen neuen Zadih zu suchen. Denn eine N’Duma Dahn ohne Zadih ist wie eine Seele ohne Körper – nutzlos.
Doch kaum hat sie Ruben das Leben gerettet und sich so rechtmäßig zu seinem neuen N’Duma Dahn ernannt, fällt ihr auf der Flucht vor den Verfolgern auch noch ein kleines blondes Mädchen in die Arme – und plötzlich steht sie vor der Aufgabe, zwei Menschen mit ihrem eigenen Leben zu beschützen, die beide nicht darum gebeten haben.

Natürlich ist diese Aufgabe fast unmöglich, selbst mit der Hilfe einer Heilerin, die mit Ruben befreundet ist und eines Angebers, der zum Treuen Volk gehört, welches magiebegabt ist, ist die Aufgabe fast nicht zu bewältigen. Teklija ist mehrfach kurz davor, einfach aufzugeben.

Natürlich spielen auch Tresten und Raika eine nicht unerhebliche Rolle, die man erst nach und nach versteht.
Rafaely Creydt hat nicht nur eine wunderbare Welt erschaffen, die sich vor dem geistigen Auge des Lesers sehr lebendig entwickelt, sie schafft es auch meisterhaft, dem Leser erst nach und nach alle Hinweise zu geben, die er braucht, um das Große Ganze zu durchschauen. Und gerade die so menschlich angelegte Teklija, die im Gegensatz zu ihrer perfekten körperlichen Ausbildung in zwischenmenschlichen Bereichen so unbedarft und unbeholfen ist, dass man sie mehrfach nehmen und schütteln will, und die dann doch irgendwann erkennt, dass es tiefere Bindungen als die zwischen N’Duma Dahn und Zadih gibt, sorgen dafür, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen mag.

Ich freue mich sehr auf weitere Geschichten aus diesem Universum, welches so vielschichtig angelegt ist, dass es noch vieles zu erzählen gibt.

Sehr gerne gelesen und daher mit fünf Sternchen versehen.

Rafaela Credt: Die Stadt am Kreuz
In Farbe und bunt, 2015
€ 13,80
ISBN: 978-3-941864-37-5

Rezension Vielleicht morgen von Guillaume Russo

Der Roman kam zu mir als spontane Urlaubslektüre. Ich suchte nach netter, unkomplizierter Unterhaltung und wurde diesbezüglich nicht enttäuscht.

Emma lebt in New York, Matthew in Boston. Nach dem Tod seiner geliebten Frau Kate zieht er seine Tochter alleine groß, geplagt von Depressionen und ohne rechten Lebenswillen.

Eines Tages findet er durch Zufall einen recht gut erhaltenen Laptop auf einem privaten Trödelmarkt und kauft ihn. Entgegen der Aussage des Verkäufers sind noch Bilder der Vorbesitzerin darauf und er nimmt zu ihr Kontakt auf. Emma hingegen ist irritiert, dass jemand ihren Laptop zu besitzen glaubt, da sie an selbigem die Mail von Matt empfängt. Nachdem sie zunächst davon ausgeht, dass er sich geirrt haben muss, entwickelt sich ein reger Mailverkehr, und schließlich verabreden sie sich zu einem Date.

Und spätestens hier merkt der Leser, was ich schon geahnt habe: Wir haben eine Zeitreisegeschichte.

Leider begeht Guillaume Russo wirklich alle Fehler, die man bei diesen Geschichten begehen kann, was mir das Buch sehr verleidet hat. Das hätte man besser und cleverer lösen können, ohne der Geschichte einen Abbruch zu tun – im Gegenteil, sie hätte dadurch nur gewinnen können. Das beste positive Beispiel für funktionierende Zeitreisegeschichten (und selbst da haben sehr aufmerksame Kritiker noch kleine Fehler gefunden) war „Die Frau des Zeitreisenden“. Guillaume Russo scheint sich des Zeitparadoxons nicht bewusst zu sein oder es war ihm egal, dass eine Veränderung in der Vergangenheit auch die Zukunft beeinflusst, so dass es nicht mehr zu dem Ereignis kommen kann, das wiederum die Veränderung in der Vergangenheit bewirkt hat.

Dass gerade die perfekte Ehefrau ein doppeltes Spiel spielt und alles andere als lieb und nett ist, nimmt man ihr nicht so recht ab – zumal es einfachere Pläne geben muss, als jemanden zu heiraten, nur um ihn dann Jahre später buchstäblich dem Geliebten zu opfern. Was muss in einem Menschen vorgehen, damit er in der Lage ist, einerseits einen perfekten Mord zu planen (der selbstverständlich nicht perfekt ausgeht), und andererseits mit dem späteren Opfer ein glückliches, verliebtes und vermutlich auch sexuell sehr erfülltes Leben zu führen? Zumal sie nie wissen konnte, wie lange sie das Spiel würde spielen müssen. Hier hätte ich mir ein wenig mehr Einblick in ihre Psyche gewünscht, stattdessen musste ich es mit einem schalen Geschmack im Mund akzeptieren (was mir nicht gelang).

Da ich mich trotzdem ganz gut unterhalten fühlte und wissen wollte, wie es am Ende aufgelöst wird, gibt es drei Sterne. Sprachlich war es flüssig und angenehm zu lesen, wie man es von Büchern dieser Art erwartet. Keine hochgeistige Literatur, aber zum Glück auch nicht hingerotzt (was ich auch schon erlebt habe).

Rezension Jules Welt von Marina Boos

Jules Welt – Das Glück der handgemachten Dinge ist laut Buchcover ein Kreativ-Roman. Das Cover ist schon mal sehr ansprechend gestaltet mit einem ausgeschnittenen Herz, durch das man auf ein dahinter liegendes Bild schaut, alles sehr liebevoll gezeichnet.

Jule heißt eigentlich Jolanda, lebt in Frankfurt und will als Journalistin Fuß fassen. Doch erst zieht eine ihrer beiden besten Freundinnen weg, dann bekommt sie eine Ablehnung und schließlich überredet ihre Oma sie, ihr vorzeitiges Erbe anzunehmen und den heruntergekommenen Gasthof im Heimatdorf der Oma zu übernehmen. Dieser steht seit Jahren leer und ist vollgestopft mit alten Möbeln, alten Zinnkrügen und noch einigem Zeug, das nicht in Jolandas Konzept passt.
Der Roman beschreibt sehr schön, wie die in Bezug aufs Dorfleben völlig naive Städterin gegen alle Widrigkeiten den Gasthof „Zur Linde“ renoviert und dabei wenige Fettnäpfchen auslässt. Sie gewinnt aber auch Freunde im Ort und die täglichen Zettel mit Inhalten wie „kein Starbucks in Müggebach!“ verarbeitet sie kreativ in ihrem neuen Gastraum.

Im Text gibt es immer wieder Stellen, in denen Jules kreative Arbeit eingehend beschrieben wird, ohne dass man das Gefühl hat, mitten in einer Bastelanleitung zu stehen. Diese sind am Ende des Romans gesammelt und jedem Kapitel folgt eine Seite für eigene kreative Ideen.

Sehr gut gefallen hat mir, dass Jule mit beiden Beinen im Leben steht und kein hilfloses Mädchen wird, sobald ein Mann mit Werkzeug im Türrahmen steht. Im Gegenteil, sie geht selbst souverän mit verschiedenen Schleifern, Bohrmaschine und allerlei weiterem Werkzeug um und hat gar keinen Kopf für einen Ritter in strahlender Rüstung. Der auch nicht auftaucht. Ein winziges Bisschen Romantik gibt es, aber nicht kitschig, nicht überladen, sondern völlig überzeugend untergebracht.

Auch die Dorfbewohner sind sehr menschlich gezeichnet. Man sieht sie alle vor sich, wie sie Jule teils skeptisch, teils neugierig und teils ablehnend betrachten, jeder mit seinen ganz eigenen Motiven dafür, wie er Jule gegenübertritt. Und auch typisch fürs Dorf ist, dass alle etwas wissen, aber niemand sich die Mühe macht, Jule einzuweihen. Denn schließlich ist es doch allgemein bekannt, oder?

Am Ende hatte ich eigentlich nur noch eine Frage: Woher kam Berthe? – Und wer wissen will, wer Berthe überhaupt ist, der sollte den Roman lesen, denn er macht wirklich Spaß, ist herrlich erfrischend und zeigt eine ganz normale junge Frau in einer normalen Situation, kein Überwesen, wie es so häufig in Frauenromanen vorkommt.

Fazit: Sehr gerne gelesen!

Rezension The Hunt – Spur der Rosen von Heike Wolter

Das Buch habe ich durch das Meet & Greet bei Knaur auf der Buchmesse erhalten, sonst wäre ich wohl gar nicht darauf aufmerksam geworden.

Das Cover finde ich sehr ästhetisch und ansprechend gestaltet, Rosenblätter auf hellem Grund. Passt.
Der Inhalt hat mich zumindest neugierig gemacht – mir wurde ein Thriller versprochen, und das sagt auch der Klappentext aus:

Du gehörst mir!

Vom ersten Moment an weiß Enrique Montoya, dass die blutjunge Donna die Einzige für ihn ist. Geduldig wartet er auf den Tag, an dem er ihr seine Gefühle offenbaren wird – nur um festzustellen, dass er einen folgenschweren Fehler begangen hat. Denn Donna hat sich einem anderen zugewandt. Enriques Liebe wird zur Besessenheit – zerstörerisch und gnadenlos verfolgt er sein Ziel. Donna muss ihm gehören … um jeden Preis! Auch um den Preis des Lebens …

Ein Thriller um Obsession und Besessenheit: fesselnd und romantisch!

Das Buch beginnt mit einem Rückblick – dachte ich. Tatsächlich ist es aber eher ein Vorausblick, denn nach dem ersten Einblick in Enriques späteres Tätigkeitsfeld gehen wir in seine Teeniezeit zurück. Donna kommt nach dem Tod ihrer Mutter neu an Enriques Schule, der sich sofort in sie verguckt. Da sie aber zwei Jahre jünger ist als er und damit erst 14, begnügt er sich vorläufig damit, ihr ein guter Freund zu sein. Als sie mit 16 ihren ersten Freund hat und Enrique sagt, dass sie nie etwas anderes als eine Art Bruder in ihm gesehen hat, schmeckt ihm das gar nicht. Immer mehr steigert er sich in seine Obsession von ihr hinein, betrachtet sie als die ihm vorbestimmte Frau, sein Licht, quasi sein Eigentum. Alle, die sich zwischen ihn und Donna stellen, werden von ihm aus dem Weg geräumt.
Als Donna älter ist, sagt sie sich völlig von ihm los und flieht mehrfach quer durch mehrere Staaten, um ihm zu entkommen, doch Enrique schafft es immer wieder, sie aufzuspüren.

Was sich wirklich wie ein spannender Krimi liest, ist das leider nicht. Die Erzählstimme ist distanziert, als betrachte man das Geschehen aus der Ferne, ich habe zu keiner der Figuren eine emotionale Bindung aufbauen können, nicht einmal Donna fand ich sympathisch genug, um wirklich Angst um sie zu haben, was letztlich auch daran lag, dass alle Figuren über der Status eines Klischees nicht hinauskommen.
Donna ist bildschön, lieb und gut und kann niemandem etwas zuleide tun. Dass sie dabei auch noch schrecklich naiv bis an den Rand der Dummheit ist, machte es für mich nicht besser.
Enrique wird ausschließlich über seine Verhaltensstörung definiert. Er ist besessen von Donna und er tötet gerne – viel mehr erfährt man über ihn nicht.
Warren, ein späterer Freund Donnas und Polizist (erst LAPD, dann FBI) ist dauerhaft in Donna verliebt und für einen Polizisten so unglaublich dämlich, dass ich mehrfach mit dem Kopf schütteln musste.

Ich habe haufenweise Anmerkungen auf meinem Reader gemacht, da ich aber wegen des Rezensionsexemplares den Blue Fire Reader benutzen musste (DRM lässt grüßen) und dieser alles andere als durchdacht programmiert ist, komme ich nicht mehr an diese heran. Ich muss also aus dem Kopf durchgehen, was mich alles gestört hat. Wer das Buch gerne noch lesen und sich dabei überraschen lassen möchte, sollte hier nicht mehr weiterlesen, da ich nicht völlig ohne Spoiler werde auskommen können.

Mich stören leider schon ein paar Äußerlichkeiten: Die Autorin ist Deutsche. Warum braucht das Buch einen halb englischen, halb deutschen Titel? Hätte es nicht auch „Die Jagd – Spur der Rosen“ heißen können? Und warum muss es auch noch in den USA spielen? Die Story liefert dafür keinen Grund, Donna hätte auch eine Schülerin in Bochum sein können, die kreuz und quer durch Deutschland oder meinetwegen auch durch Europa flieht. Schade, dass deutsche Autoren so oft zu glauben scheinen, dass Geschichten in den USA spielen müssen, nur weil wir so viele US-amerikanische Übersetzungen in den Buchhandlungen liegen haben.

Auch sauer aufgestoßen ist mir, dass der Bösewicht unbedingt einen Migrationshintergrund haben „muss“. Enrique Montoya klingt sehr lateinamerikanisch, auch wenn in einem halben Nebensatz auf seine spanische Abstammung hingewiesen wird. Letztlich ist auch das ein Klischee: Die Einwanderer der Südstaaten haben halt entweder mit Drogen oder mit Mord zu tun.

Wenn jetzt der Erzählstil spannend wäre und die handelnden Personen intelligent gezeichnet, dann hätte mir das Buch immer noch gefallen können. Nur leider, leider machen Donna und Warren immer wieder völlig unbegreifliche Dinge, die jeder, der hin und wieder einen Tatort guckt, besser hinbekommen könnte:
Donna ahnt, dass er etwas mit den Todesfällen in ihrem Umfeld zu tun hat, kann es aber nicht beweisen. Als Enrique in ihre Wohnung eingedrungen ist, flieht sie planlos, anstatt die Polizei zu rufen und ihn anzuzeigen. Auch Warren empfiehlt ihr, zu fliehen, da ihr ja nun auch keiner mehr glauben werde bei der Polizei, weil sie erst weggelaufen ist.
Als Enrique sie später ausfindig macht und in ihrer Wohnung auf sie wartet, wird sie von ihrem Kollegen gerettet, der Enrique bewusstlos schlägt. Hier hätte das Buch bereits sein glückliches Ende finden können: Der Kerl hat sie überfallen und wurde auf frischer Tat ertappt, Anzeige, Unterlassungsklage etc., gut ist. Aber nein, der Kollege lässt den bewusstlosen (!) Enrique liegen und fährt Donna zum Flughafen, damit sie wieder fliehen kann. Wovor denn jetzt noch, verdammt? Und natürlich wacht Enrique wieder auf, fährt seelenruhig zum Flughafen und verpasst Donna nur um Haaresbreite, dafür killt er dann erstmal Wooley, der sie gerettet hat. Das war eine mehr als unnötige und völlig sinnfreie Szene.

Irgendwann nach gut der Hälfte und vier Fluchten hatte ich ernsthaft keine Lust mehr und habe nur weitergelesen, um eine vollständige Rezension abgeben zu können.
Warren begreift irgendwann, dass Enrique der „Rosenmörder“ sein muss, denn schließlich finden sich die gleichen roten Rosen sowohl in Donnas Apartment, wenn Enrique mal wieder da war, als auch an jedem einzelnen Tatort des Scharfschützen.

Ach ja, der gute Enrique findet Donna übrigens unter anderem über eine Vermisstenseite im Internet, auf der er ihr Bild hochlädt und eine rührige Story über seine vermisste „Schwester“ hinterlässt – da Donna netterweise irgendwann im Text ihr Geburtsdatum angibt (Februar 1978) und sie zum Zeitpunkt dieser Suche 22 ist, spielt sich das also im Jahre 2000 ab. Sorry, aber da war das Internet noch nicht so weit, dass es interaktive Suchseiten gibt. Die allgemeine Vernetzung aller Behörden, die Enrique ebenfalls immer wieder hilft, war auch noch in den Kinderschuhen – ja, auch in den USA.

Warren zieht also irgendwann eins und eins zusammen, Enrique macht einen dämlichen Fehler nach dem anderen, und am Ende gibt es einen netten Showdown, der ebenfalls so ziemlich jeglicher Logik entbehrt. Aber gut, daran hatte ich mich beim Lesen bereits gewöhnt.

Fazit: Ich lese wirklich gerne Thriller, aber sie müssen gut gemacht sein. Einen Thriller macht für mich die Intelligenz der handelnden Figuren aus, die Fähigkeit des Autors, den Leser immer wieder auf falsche Fährten zu führen und ihn am Ende zu überraschen. Oder wenigstens vielschichtige Figuren, die nicht immer so handeln, wie man es von einem Klischee erwartet.
Leider konnte mich dieser Roman absolut gar nicht überzeugen. Zum Glück sind Geschmäcker ja verschieden, so dass es bestimmt genug Menschen gibt, denen dieses Buch Spaß macht.

Noch eines zum Stil des Buches: Dass er sehr erzählend und distanziert ist, erwähnte ich ja bereits. Was mich aber wirklich mehrfach gründlich aus dem Lesefluss gebracht hat: Die Autorin wechselt teilweise mehrfach innerhalb einer Szene die Perspektive. Da beginnt sie mit Donnas Innensicht, schwenkt mal kurz in Warrens Kopf hinein und ist wieder bei Donna. Ganz schlimm wird es, wenn sie zwischendrin sogar zu Enrique schwenkt, der nicht mal anwesend ist. Ein, zweimal hätte ich das verzeihen können, aber es passiert gefühlt alle zwei Seiten mindestens einmal.

Ich gebe einen von fünf Sternen – für ein hübsches Cover, solide Rechtschreibung und eine immerhin gute Idee.

Heike Wolter: The Hunt – Spur der Rosen
363 Seiten
Knaur eRiginals
€ 4,99

Rezension Der Katzenschatz

Wenn ich schon wieder nicht selber schreibe, kann ich wenigstens mal nach und nach die Rezensionen nachliefern, die mir noch unter den Nägeln brennen. 😉

Der Katzenschatz von Hanna Nolden ist ein recht schmales Jugendbuch. Ich habe es im vergangenen Herbst auf einer Lesung von Hanna und weiteren Autoren gekauft (und mir mit Mühe und Not das letzte Exemplar gesichert!).

Jonas ist ein ganz normaler Junge mit einer nicht ganz so normalen besten Freundin: Während er eher der brave typ ist, rebelliert Tabea gegen ihre Umwelt. Sie nennt sich Delilah und experimentiert ständig mit ihrer Haarfarbe und ihren Klamotten.
Die beiden werden von Jonas Mutter gebeten, für die „verrückte Katzenfrau“ um die Ecke ein paar Besorgungen zu machen. Widerstrebend gehen sie hin, bekommen Kekse und Limonade – und plötzlich versteht Jonas die Sprache der Katzen. Er erfährt, dass es einen jahrtausendealten Schatz gibt, der den Katzen gestohlen wurde, und zwar ausgerechnet von den Hunden. Jonas soll ihnen helfen, den Schatz zurückzubringen.

Zunächst ist er etwas überfordert von seinen neuen Fähigkeiten, doch bald merkt er, dass er alle Tiere verstehen kann, auch seine beiden Ratten. Und gemeinsam mit diesen und Delilah macht er sich auf die Suche nach dem Schatz. Dass ihm schon bald Zweifel kommen und er einen eigenen Plan verfolgt, gefällt den Katzen natürlich nicht so richtig …

Das Buch ist flüssig und ansprechend geschrieben, ich konnte mich gut in die Jugendlichen hineinversetzen, und auch die Katzen sind sehr kätzisch, trotz ihrer Sprachfähigkeit – aber es ist ja auch andersherum: Sprechen können sie alle, wir verstehen sie nur nicht. 😉
Ich bin mir im Laufe des Romans nicht ganz klar darüber geworden, wie alt Jonas und Delilah denn nun sind. Auf der einen Seite wirken sie manchmal kaum älter als zehn, auf der anderen entwickelt sich eine zarte Liebesgeschichte, die mich mehr an Vierzehnjährige erinnerte. Und alles in allem ist das Buch einfach zu kurz! 😉

Ich denke, die Zielgruppe ist irgendwo bei den 10-12Jährigen zu suchen, und die werden ihre Freude an dem Buch haben. Es macht wirklich Spaß und bereitet auch einige Überraschungen, die man so nicht erwartet. Manches hätte für meinen Geschmack noch etwas weiter ausformuliert werden können, so dass Konflikte sich etwas langsamer auflösen und mehr Spannungspotential bieten.

Alles in allem vergebe ich vier von fünf Punkten und warte gespannt auf weitere Bücher der Autorin! 🙂

Hanna Nolden: Der Katzenschatz, 145 Seiten
Machandel Verlag
ISBN: 978-3-939727-32-3
€ 6,90

Rezension Trix Solier – Zauberlehrling voller Fehl und Adel

Trix Solier ist eines dieser Bücher, über die ich selber vermutlich nie gestolpert wäre. Aber glücklicherweise habe ich es beim Tintenzirkel-Weihnachtswichteln geschenkt bekommen und mich dann auch vor ein paar Wochen daran gemacht, es zu lesen.

Zu Beginn lernt man Trix kennen, den Sohn des Co-Herzogs von Solier, der gerade auf der Schwelle zwischen Junge und Mann steht – wobei er sich als Mann sieht und seine Umwelt ihn noch als Kind betrachtet.
Gerade, als er über die Streitfälle der Kinder und Jugendlichen richten soll, gibt es einen Putsch, bei dem sein Vater getötet wird und Trix selber ins Gefängnis geworfen wird. Der Co-Herzog Gris lässt jedoch eine gewisse Milde walten und lässt Trix laufen, mit einem Boot und etwas Geld und dem Rat, es später dem nichtsnutzigen Sohn des Herzogs Gris heimzuzahlen.
Fortan sinnt Trix darauf, wie er seinen Thron zurückgewinnen kann. Er lernt Ian kennen, der sich ebenfalls für Trix ausgibt, und bald erfährt er, dass der Herzog Gris etwa hundert Jungen mit der Kleidung von Trix ausgestattet, ihnen Geld gegeben und ihnen eingeschärft hat, sich als Trix auszugeben. Dennoch kommt er zu einem früheren Verbündeten seines Vaters, der ihn erkennt und ihm ein Schreiben mitgibt, das ihm einen Ausbildungsplatz bei einem Handwerker verschaffen soll – allerdings will er Ian als „echten“ Trix bei sich behalten und Trix soll seine Herkunft vergessen und seine Pläne begraben.

Wie gut, dass Ian dabei nicht ganz so mitspielt, wie der Herzog es sich gedacht hat – aber auch nicht unbedingt in Trix‘ Sinne.
Die Wege der beiden Jungen trennen sich, Trix versucht, Knappe zu werden, auch wenn das natürlich weit unter seiner Würde ist und wird letztendlich der Lehrling eines Zauberers. Und er wäre nicht Trix, der Sohn eines Co-Herzogs, wenn er nicht quasi nebenbei eine Herzogin retten und sich ehrenvoll verhalten würde.

Die Handlung des Buches ist witzig, die Welt ist wunderbar beschrieben, aber all das ist nicht das, was wirklich fesselnd ist an diesem Buch. Es ist die Art, wie es erzählt ist. Es gibt kleine Sidekicks auf unsere Welt (die Erfindung der Schnellküchen mit einem „goldenen Hintern“ als Emblem hat mich Tränen lachen lassen, genauso wie der Eipott!), und entgegen der üblichen Einteilung, dass Fantasy entweder in einem fiktiven Mittelalter oder aber in unserer Welt mit Ergänzungen spielen muss, ist Sergej Lukianenko eine wunderbare Mischung aus „typischer“ Fantasy und diversen modernen Elementen gelungen.

Dazu kommt eine wirklich ansprechende Sprache, ein wenig im Stil der klassischen russischen Erzähler, und natürlich wird der Leser hin und wieder auch direkt angesprochen. Zudem ist die Geschichte voller intelligenter Anspielungen auf Literatur, Musik, bekannte Logikrätsel und vieles mehr, von dem ich sicher nur einen Bruchteil gefunden habe. Das Rätsel mit den drei Türen habe ich Dank Lukianenko nun endlich wirklich verstanden, so dass ich es erklären kann – und das will wirklich etwas heißen!

Alles in allem ein wunderbares Buch, das mich bei der Lektüre nicht einmal gelangweilt hat. Uneingeschränkt empfehlenswert – und ich freue mich schon darauf, den nächsten Teil zu lesen, in dem es hoffentlich wieder ähnlich amüsant und intelligent zugeht!

Ich verteile ohne Einschränkung fünf von fünf Sternen.

Sergej Lukianenko: Trix Solier – Zauberlehrling voller Fehl und Adel
Gulliver
ISBN: 978-3-407-74334-3
€ 9,95