Rezension Dunkelsprung

Voller Freude habe ich vor ein paar Monaten entdeckt, dass Leonie Swann ein neues Buch geschrieben hat. Nachdem mir Glennkill damals sehr gut gefallen hat und ich mich ständig gefragt habe, wie man nur so genau wissen kann, wie Schafe denken, musste also auch Dunkelsprung unbedingt mit.

Es hat eine Weile gedauert, bis ich es aus meinem „Mount to be Read“ gefischt habe, aber ich habe es nicht eine Sekunde lang bereut. Wer ein ähnliches Buch wie Glennkill oder auch Garou erwartet, muss sich ein wenig umstellen, aber es lohnt sich, versprochen!
Dunkelsprung spielt im London der Gegenwart, gemischt mit allerlei Phantastischem. So gibt es einen Magier, der Dinge auf der Bühne vollbringt, die nicht mal mit den besten Tricks zu erklären sind, es gibt ein Mädchen mit Hörnern, Wassernixen, einen Detektiv, der mehr ist, als er selber weiß, einen Therapeuten, der einen vergessen lassen kann, ein mysteriöses Haus auf dem Land, zwei alte Damen, von denen eine noch immer vierzehn Jahre alt ist und ein kleines grünes Tier mit einem sehr gesunden Appetit, das irgendwann gar nicht mehr so klein ist.
Und dann ist da natürlich noch der Flohzirkus, eine winzige Welt in der Welt, ein Mikrokosmos, liebevoll gehegt und gepflegt von Julius Birdwell, der mit seinen Flöhen Trinklieder singt und ihnen dabei nach und nach immer ähnlicher wird. Und während die kollektive Intelligenz immer größer wird, nabelt einer der Flöhe sich ab und entwickelt nicht nur seine eigene, individuelle Intelligenz, sondern beschließt auch, zu wachsen. Eine Art umgekehrter Oskar Matzerath, der sein Wachstum durch sein Denken beeinflusst.
Hier kommt die Kunst der Schafromane, sich in das Denken anderer Lebensformen einzufühlen, wieder zum Tragen. Herrlich schräg und unglaublich liebenswert!

Das alles verbindet Leonie Swann mit einer wunderbaren Sprache zu einem modernen Märchen, welches vor Phantasie nur so sprüht. Dabei treffen ihre Bilder und Vergleiche perfekt auf den Punkt, und selbst, wenn man glaubt, nun endgültig zwischen all den Figuren und Handlungssträngen verloren zu sein, nimmt sie einen wunderbar leicht an die Hand und zeigt einem den Weg.

Ich fühlte mich an Shakespeares Sommernachtstraum und auch an Matt Ruffs Fool on the Hill erinnert, denn auch hier entfaltet sich vor dem Leser eine Welt hinter der Welt, voller Magie und Phantasie, mit viel Liebe zum Detail und sehr viel Intelligenz und Humor geschrieben.

Eines meiner Highlights der letzten Jahre, ich empfehle unbedingt, es zu lesen!

Leonie Swann: Dunkelsprung
Goldmann, 381 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-442-31387-7

Selbstzweifel, die erste

Tja, angeblich leiden ja alle Autoren hin und wieder an Selbstzweifel und Schreibblockaden. Die meisten schreiben davor und danach aber durchaus brauchbare Texte, weshalb sie sich trotzdem Autoren oder Schriftsteller nennen dürfen.

Und ich? Ich sitze gerade hier und bin unzufrieden. Seit Tagen habe ich nichts geschrieben, und als ich gestern mein Dokument geöffnet habe, passierte Folgendes:

Ich las die letzte szene noch mal, um wieder in den Text zu finden. Den „besten“ Klopper hatte ich schon während des Schreibens markiert, um ihn zu überarbeiten. Wollt ihr ihn sehen?

„Als auch er draußen ist und die Tür zugezogen hat, nachdem er sich vergewissert hat, dass sie einen Schlüssel dabei hat, schließt sie ab.“

Literarisch absolut hochwertig, nicht wahr? Meine Anmerkung dazu lautet auch entsprechend: „Hat – hat – hat – den Satz üben wir noch mal, Frau Bloos!“

Tja, nun bin ich durchaus in der Lage, den Satz zu zerlegen, umzuschreiben und etwas Besseres draus zu machen. Das Hauptproblem des Textes ist aber ein anderes: Er transportiert nichts. Keine Emotionen, keine Bilder. Telling in schlechtester Reinkultur. Und nein, die einzelnen Sätze einfach ins „show“ zu setzen, ändert nicht viel. Denn der ganze Text ist flach, platt und belanglos. Ich sehe meine Figuren nicht vor meinem geistigen Auge, ich habe keine Vorstellung von den Orten, an denen sie sind (doch, die „Standardorte“ haben inzwischen ein Aussehen, das Haus der Familie und das Büro des Vaters) und viel schlimmer: Ich transportiere nicht mal diese winzigen Bruchstücke einer Vorstellung.

Wenn ich als Autorin beim Lesen schon überlege, was der langweilige Scheiß eigentlich soll, wie soll ich damit auch nur einen Leser hinter dem Ofen hervorlocken? Vermutlich gar nicht.

Natürlich könnte ich den Text fertig schreiben, um wenigstens das getan und meine Message in Buchstaben gezwängt zu haben, aber will ich das? Will ich mit einem Text von Verlag zu Verlag tingeln, mir haufenweise Absagen einhandeln, von denen ich weiß, dass sie gerechtfertigt sind?
Oder will ich das Ding in der virtuellen Schublade verrotten lassen, weil ich halt schon weiß, dass ich damit nicht mal Klopapier bedrucken sollte?

In meinem Kopf ist es eine komplexe Geschichte, in der verschiedene Menschen nach und nach merken, dass ein weiterer in ihrer Mitte nur auf sich und seinen Vorteil bedacht ist, obwohl er eben auch sehr liebevoll, zärtlich und fürsorglich sein kann, letztlich aber nie altruistisch, sondern immer narzisstisch handelt. In meinem Kopf sind hier Intrigen und Verwirrspiele beteiligt und sechs Menschen, deren Innerstes nach und nach zutage gefördert wird und durch deren Perspektiven sich das Bild zusammenfügt.

Tatsächlich habe ich bisher sehr viele Einzelszenen, von denen manche okay sind, die meisten aber einfach völlig egal. Wenn ich ein gutes Buch lese, dann halten mich die Szenen und die Figuren gefangen, auch nachdem ich es aus der Hand gelegt habe. Meine Figuren machen das nicht mal, während ich schreibe.

Mir stellt sich derzeit die Frage, ob ich tatsächlich nicht schreiben kann und es aufgrund meiner talentfreiheit auch zukünftig lassen sollte, oder ob man das Schreiben nicht wie jedes Handwerk lernen kann. Und wenn das geht, dann frage ich mich, wie.

Die Tipps, die ich bekomme, laufen meist auf „Üben, üben, üben“ hinaus. An und für sich nicht verkehrt, aber wenn man niemanden hat, der einen korrigiert und einem sagt, wie man es besser, anders, effektiver macht, dann hilft es nicht.
Ich sehe ja, wie schlecht meine Texte sind, ich kann genau den Finger auf die Wunden legen, aber ich weiß nicht, wie es besser geht.

Autoren wie Juli Zeh, Leonie Swann oder Sergej Lukianenko (um nur einige derjenigen zu nennen, die mich in den letzten Monaten beeindruckt haben) machen das so nebenbei. Sie malen Bilder mit wenigen Worten, die sich vor meinem geistigen Auge entfalten. Sie sind großartige Erzähler, denen man gerne folgt, auch wenn nicht immer „show“ ihren Stil leitet. Und sie haben so unglaublich geniale Einfälle, dass ich gleichzeitig staune, kichere und vor Neid erblasse.
Und ich? Ich lese das, ich analysiere es, aber ich habe nicht den leistesten Schimmer, wie man so schreibt.

Vielleicht sollte ich Makramee-Eulen klöppeln. Oder für den Rest meines Lebens Konsument bleiben, denn Lesen mag und kann ich. 😉
Vielleicht finde ich aber irgendwann noch heraus, wie man es macht. Denn immer, wenn ich das Schreiben aufgeben will, kommen Ideen vorbei. Nur leider bringen sie keine Ausführung mit.

Der Januar ist geschafft

Ich habe es kaum für möglich gehalten, aber ich habe den Januar erfolgreich abgeschlossen. Es gibt zwar Tage, an denen ich gar nicht geschrieben habe, aber das waren nur fünf (plus einen, an dem ich gerade genug geschrieben habe, um mein Tagessoll zu erreichen und nicht von der Immergrünliste zu fliegen), und ich habe ausgerechnet heute kurz vor Toresschluss noch eine Szene geschrieben, die mir von der Erzählstimme her sehr gefällt.

Für alle, die einen optischen Eindruck mögen, gibt es hier einen Screenshot meines Monatsblattes – so sieht ein Monat im T12 aus, der nicht perfekt ist, aber zumindest gut:

Bildschirmfoto 2015-01-31 um 23.54.07

 

Man sieht, dass ich in der Mitte des Monats eingebrochen bin und ab da meinen mühsam aufgebauten Vorsprung wieder „aufgegessen“ habe, aber immerhin bin ich nie unter das Soll gerutscht.

Wenn ich die nächsten zwei Monate so weitermache, sollte ich zwischen Ende März und Mitte April die Rohfassung meines Romans in den Händen halten, und ab da gibt es dann mehrere Möglichkeiten: Ich nehme mir einen der angefangenen Romane vor, die unbedingt beendet werden wollen, ich schreibe zur Auflockerung ein paar Kurzgeschichten, ich überarbeite diesen Roman oder ich schnappe mir eine ganz neue Idee. Heute morgen unter der Dusche kam eine angehoppelt und hat mal neugierig um die Ecke geschaut, ob ich bereit für sie bin. Nein, noch nicht, aber ich werde sie skizzieren, damit sie nicht weghoppelt. Und hin und wieder werde ich sie mit weiteren Häppchen füttern, damit ich sehe, ob sie für einen Roman taugt oder doch eher für eine Kurzgeschichte oder Erzählung.

Und jetzt gönne ich mir einen Whisky auf den erfolgreichen Monat. Slainte!