Neues vom Schreiben

Der T12 läuft ja nun schon seit 24 Tagen, und ich bin positiv überrascht.

Bis zum 16. habe ich sogar die Monatschallenge („schreibe jeden Tag mindestens ein Wort mehr als den bisherigen Durchschnitt“) geschafft, aber am 17. war ich abends so unglaublich müde, dass ich unverrichteter Dinge ins Bett gefallen bin. Zu dem Zeitpunkt hatte ich drei Tage Vorsprung, so dass ich mir einen Tag Auszeit leisten konnte.
Inzwischen habe ich den Vorsprung aufgebraucht, weil ich konsequent immer einen Tag geschrieben und mich einen drauf ausgeruht habe. Heute „musste“ ich schreiben, um nicht von der Immergrünliste zu fallen, was ich gerade erfolgreich absolviert habe.

So viel zu den Formalia – viel spannender ist aber der Roman an sich.
Ich habe ja ein ehrgeiziges Projekt, bei dem ich einen Menschen auf dem Weg vom persönlichen Zenit in den Abgrund „begleite“. Und diesen Prozess beschreibe ich aus nicht weniger als sechs Perspektiven. Eine ist seine eigene, dann dürfen noch seine Frau, seine Tochter, sein Chef, seine engste Mitarbeiterin und eine weitere Kollegin, die auch gute Freundin ist, berichten.

Ich habe einen groben Fahrplan, mit dem ich mich durchhangel. Entgegen meiner Befürchtung, dass es ohne konkretes Plotten nichts wird, klappt das erstaunlich gut! Ich habe Szenen geschrieben, von denen ich nicht einmal geahnt habe, dass es sie geben würde, ich habe seiner Frau ein Hobby verschafft und seine Tochter zu einer kleinen Meisterspionin werden lassen. Die durfte heute nämlich feststellen, dass Daddy gar nicht so toll und rechtschaffen ist, wie sie selber immer glaubt – und wie er sich auch sehr gerne darstellt.

Alles in allem habe ich zwar durchaus Tage, an denen ich mich frage, wer um Himmels Willen das wohl mal lesen will oder wie ich aus dieser Rohmasse etwas Zusammenhängendes und flüssig Lesbares machen soll, aber immer, wenn ich einen Abschnitt fertig gestellt habe, merke ich, wie viel Spaß mir das Schreiben an diesem Roman macht und wie gerne ich selber miterleben will, wie der Protagonist nach und nach in Richtung Abgrund gleitet.

Ich habe diesem Roman versprochen, dass er in diesem Jahr ein „Ende“ bekommt, wobei ich für die Rohfassung Ende März angestrebt habe. Ich bin noch immer wild entschlossen, das auch umzusetzen!

Rezension Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte

Ich habe dieses Buch zu Weihnachten geschenkt bekommen und mich sehr darüber gefreut. Ich kannte noch nichts von Rachel Joyce und bin entsprechend unvoreingenommen herangegangen. Der Einband gefiel mir, der Klappentext las sich spannend und so, als sei es ein Buch, das mir wirklich gefallen könne (ich sortierte es anhand des Klappentextes bei den Romanen von Jojo Moyes ein, was jedoch im Nachhinein nicht zutrifft).

Also begann ich zu lesen.

Es gibt zwei Zeitebenen, eine 1972, die in dritter Person aus Sicht des elfjährigen Byron erzählt wird, und eine 2012, ebenfalls in dritter Person aus der Sicht des erwachsenen Jim erzählt.
Inwieweit diese beiden Ebenen etwas miteinander zu tun haben, bleibt sehr lange unklar, auch wenn man als Leser Vermutungen anstellen kann, da Byrons bester Freund James heißt.

Byron und James gehören zur gehobenen Mittelschicht und gehen gemeinsam auf eine Privatschule. Während James sehr analytisch veranlagt ist, ist Byron eher ängstlich und versteht die Zusammenhänge nicht unbedingt sofort. Als James ihm beiläufig erzählt, dass dem Jahr zwei Sekunden hinzugefügt werden, damit die Zeit wieder mit der Erdrotation in Einklang ist, ist dies für Byron eine derartige Sensation, dass er wochenlang kaum an etwas anderes denken kann.
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie weit verbreitet 1972 funkgesteuerte Armbanduhren unter Kindern waren, aber genau in dem Moment, in dem Byron während einer Autofahrt mit seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester auf die Uhr schaut, springt der Sekundenzeiger zweimal zurück (was genau genommen eine Differenz von vier Sekunden zur vorigen Zeit ausmachen würde, aber wer will denn da kleinlich sein).
Vor lauter Aufregung wedelt er hektisch mit dem Arm vor dem Gesicht seiner Mutter herum und versucht, ihre Aufmerksamkeit zu erringen. Gleichzeitig sieht er aus dem Augenwinkel ein kleines Mädchen auf einem roten Fahrrad aus einer Einfahrt in Richtung Straße fahren.
Dann gibt es einen Ruck, das Auto steht.
Und nur Byron hat den Unfall bemerkt. Weder seine Schwester noch seine Mutter sehen das kleine Mädchen, das zusammengekrümmt unter ihrem Fahrrad neben dem Beifahrersitz auf dem Gehweg liegt (ich nehme an, seine Mutter ist vor lauter Schreck über seinen Aufstand wegen der Zeit gegen den Kantstein gefahren und hat nur dies wahrgenommen).
Byron fleht seine Mutter an, schnell weiter zu fahren, und ab diesem Moment gerät seine Welt aus den Fugen, denn nun ist er für seine Mutter und ihre Unschuld verantwortlich, schafft es jedoch nicht, das Geheimnis für sich zu behalten und löst so eine Reihe von verketteten Aktionen und Tragödien aus.

Jim in der Gegenwart ist ein Mann Anfang 50, der viele Jahre seines Lebens in der Irrenanstalt in Besley Hill verbracht hat, bis diese geschlossen und er quasi zwangsresozialisiert wurde. Er leidet unter einem Haufen Zwangsstörungen, stottert und wirkt sehr einfältig. Er lebt in einem Trailer und muss komplizierte Rituale vollführen, wenn er nach Hause kommt. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich als Tischwischer in einem Diner.

Ich habe etwa 200 der insgesamt gut 400 Seiten durchgehalten, obwohl es nicht eine Figur gab, die mir irgendwie sympathisch war. Es war mir schlichtweg egal, was mit ihnen passiert. Byron ist ein dummer, dämlicher, verwöhnter Elfjähriger, der einen Unfall verursacht und nicht nur diese Tatsache nicht sieht, sondern auch noch glaubt, er müsse seine Mutter vor was auch immer schützen, indem er den Unfall weiter verschweigt, schafft aber nicht mal das.
Jim wiederum tut mir zwar ein wenig Leid, aber letztlich ist auch er so distanziert beschrieben, dass er jeder x-beliebige geistig Zurückgebliebene sein könnte.
Etwa nach 150 Seiten war ich mir recht sicher, die Verbindung zwischen den beiden erkannt zu haben, und als ich bei Seite 200 angekommen war und der Roman noch immer unsäglich anstrengend und nichts sagend dahinplätscherte – selbst Byrons Eltern sind Stereotype der damaligen Zeit, auch wenn Diana zumindest ein wenig versucht, aus dem gesellschaftlichen Korsett auszubrechen -, habe ich etwas getan, was ich selten mache: Ich habe entschieden, die Lektüre abzubrechen und nur noch zu prüfen, ob meine Vermutung stimmt. Und siehe da: Ich hatte Recht.

Da ich die Pointe nicht verderben will (es mag ja Menschen geben, die mit dem Buch deutlich besser zurechtkommen als ich und es gerne lesen), werde ich nicht weiter darauf eingehen. Ich bin aber sicher, dass ich anhand der Amazon-Rezensionen (vor allem anhand der ein-Stern-Bewertungen) alle „Höhepunkte“ des Romans, die quasi noch vor mir gelegen hätten, bereits kenne, und für diese lohnt es sich nicht, sich weitere 200 Seiten zu quälen.

Schade, es war ein vielversprechendes Buch, und inzwischen weiß ich, dass der Erstling der Autorin durchaus hoch gelobt wurde, so dass ich ihr als Autorin wohl noch eine Chance geben werde. Sollte mir das Buch dann auch nicht gefallen, dann passen ihr Stil und meine Erwartungen einfach nicht zusammen.

Rachel Joyce: Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte
Fischer Taschenbuch
ISBN-13: 978-3596195374

Die ersten zwei Tage

Das Jahr hat begonnen und damit auch der T12. Während ich die ersten halbwachen Momente bei Tageslicht damit verbrachte, eine aufdringliche Hundeschnauze von meiner Nase fernzuhalten, habe ich die frühen Abendstunden (vorher war ich nicht zuhause) damit verbracht, die zweite Szene meines Romans zu schreiben.

Es ging erstaunlich gut und ich habe 15 Wörter über Tagessoll geschrieben. Heute kam dann die dritte Szene, da war ich dann 75 Wörter über Tagessoll. Wenn ich so weitermache, habe ich am Ende des Monats einen hübschen Vorsprung, aber ich bin ja realistisch und weiß, dass es nicht jeden Tag so super laufen wird.

Drei Szenen, drei Perspektiven. Zweimal dritte Person Präsens, einmal erste Person Präsens. Spannend, wie unterschiedlich meine Figuren bereits jetzt die Welt betrachten!
Und die Monatschallenge im T12 ist wirklich fies: Denn dadurch, dass man jeden Tag mindestens ein Wort mehr schreiben soll als der bisherige Tagesschnitt beträgt, muss ich mich in den ersten Tagen echt zusammenreißen, damit das Ziel noch schaffbar ist. Hätte heute bestimmt noch zwei weitere Szenen schreiben können, aber nun gut: Dann werden sie halt noch ein wenig vorgeplant, das kann auch nicht schaden. 😉

Bisher läuft es also gut und ich bin total gespannt, wie es weitergeht mit mir und dem Schreiben in diesem Jahr. Mal schauen, ob ich mich gut genug organisieren kann, damit ich nicht wieder nach wenigen Monaten beschließe, alles an den Nagel zu hängen. Anfeuerungen jeglicher Art werden gerne entgegen genommen!