Rezension Letztendlich sind wir dem Universum egal und Letztendlich geht es nur um dich von David Levithan

Mehr zufällig bekam ich den zweiten Band in die Finger, las hinein, verstand, dass es einen ersten Teil gibt und lud ihn mir auf meinen Kindle. Und weil beide Bücher so eng miteinander verwoben sind, habe ich auch den zweiten heruntergeladen und gelesen und schreibe die Rezension nun für beide gemeinsam.

A. ist kein normaler Teenager, denn er hat keinen Körper. Oder anders: Er wacht jeden Tag in einem anderen Körper auf und übernimmt für 24 Stunden das Leben der anderen Person. Dennoch hat er eine eigene Persönlichkeit, ein eigenes Gedächtnis und eigene Gefühle -kurz: er ist ein vollständiger Mensch, nur ohne Körper.
Das ist für ihn okay, er kennt es nicht anders. Doch dann begegnet er Rhiannon und verliebt sich in sie. So sehr, dass er immer wieder ihre Nähe sucht und sich ihr offenbart. Und ihre anfängliche Skepsis wandelt sich, bis auch sie die Treffen mit A. herbeisehnt und sich wünscht, es gäbe eine Möglichkeit, mit ihm eine Beziehung zu führen. Aber wie soll das gehen, wenn er doch jeden Tag ein anderer ist?

A wechselt nicht völlig willkürlich den Körper. Eine Regel besagt, dass sein „Wirt“ immer etwa so alt ist, wie er selbst. Eine andere Regel besagt, dass er keine weiten Sprünge vollführt. Dies hat den Vorteil, dass er meistens in Rhiannons Reichweite bleibt (ich glaub, vier Stunden Fahrtzeit waren das Weiteste), aber auch den Nachteil, dass er nicht so einfach zurückkommt, wenn er mit seinem Wirt reist.

So absurd die Idee ist, so faszinierend ist die Geschichte. Ohne A’s Besonderheit wäre es einfach nur eine Teenager-Liebesgeschichte, die auch schon ihren Reiz hätte. So aber kommen haufenweise Aspekte dazu, die einem zeigen, wie selbstverständlich wir vieles nehmen, was es gar nicht ist.

Dazu kommt, dass David Levithan ohne jeden moralischen Zeigefinger Themen wie Untreue, Transgender, Homosexualität etc. behandelt. Seine Figuren sind auf angenehme Weise einfach sie selbst, manche dick, manche dünn, manche depressiv, manche narzisstisch, aber immer authentisch. Auch die Tatsache, dass nicht alle Amerikaner von weißen Europäern abstammen, bringt er völlig unaufgeregt unter.
Weil A. sich selbst als geschlechtslos betrachtet, kann man ihn vermutlich als genderfluid betrachten. Schön finde ich, dass Rhiannon gerade durch die ständig wechselnde äußere Gestalt A’s für sich selbst definiert, womit sie leben kann und womit nicht. Dass sie A immer akzeptiert, aber eben nicht jede seiner Hüllen gleich stark lieben kann. Es wäre mir heuchlerisch vorgekommen, wenn sie „ich liebe dich, egal wie die aussiehst, welchen Bildungsstand und welches Geschlecht du hast“ gesagt hätte. So ist auch hier wieder ein Coming of Age untergebracht, ohne dass in irgendeiner Weise gewertet wird.

Alles in allem mag ich die Bücher sehr und halte sie für sehr gute Jugendbücher. Und weil das Ende in beiden Büchern gleich offen ist, hoffe ich sehr auf eine Fortsetzung.

4,5 Sterne von mir.

Letztendlich sind wir dem Universum egal

  • Taschenbuch: 416 Seiten
  • Verlag: FISCHER Taschenbuch; Auflage: 8 (22. September 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3596811562
  • ISBN-13: 978-3596811564

Letztendlich geht es nur um Dich

  • Taschenbuch: 384 Seiten
  • Verlag: FISCHER Taschenbuch; Auflage: 1 (23. Mai 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 9783596035458
  • ISBN-13: 978-3596035458
  • ASIN: 3596035457

NaNoWriMo 2018 – ein Rückblick

Wie man unschwer erkennt, habe ich es nicht geschafft, jeden Tag zu bloggen. Genau genommen nicht mal jede Woche, sondern dann einfach gar nicht. Was vor allem daran liegt, dass ich dachte, ich würde häufiger bloggen und mich dann daran festgehalten habe, dass ich jetzt alles nachholen „muss“, was ich nicht erzählt habe.
Blödsinn. Auch Romane leben von den Auslassungen. Niemand will einen minutiösen 24-Stunden-Tagesbericht jeder einzelnen Figur. Auch unsere Leben sind nicht rund um die Uhr spannend. Also picken wir beim Erzählen das heraus, was interessant ist. Sowohl, wenn wir Freunden oder Familie erzählen, was wir erlebt haben, als auch beim Schreiben. Und genau das ist die wahre Kunst daran: Zu erkennen, welche Begebenheiten der Figuren wichtig sind und welche die Geschichte nicht voranbringen. Welche für die passende Stimmung sorgen und welche vom Geschehen ablenken. Ich habe sehr lange das Gefühl gehabt, dafür kein Gespür zu haben. Bei Kurzgeschichten war es einfacher, die sind eh die verdichtete Essenz einer Begebenheit. Aber ein Roman ist nicht die Aneinanderreihung von Kurzgeschichten, sondern funktioniert völlig anders.

Und all diese Dinge wusste ich, habe sie aber in diesem NaNo erlebt. Anhand meines Romans. Wie man am Counter rechts auf dieser Seite erkennen kann, habe ich die 50k nicht erreicht, aber ich ärgere mich nicht darüber. Ich habe nicht nur mehr an einer zusammenhängenden Geschichte geschrieben als in den letzten acht (?) Jahren, sondern auch mehr, als in den letzten fünf Jahren überhaupt. Und ich habe die Geschichte nicht gegen die Wand gefahren. Es gibt Szenen, die rausfliegen werden, welche, die dringend überarbeitet werden müssen und eine Figur, die erneut eine Generalüberholung benötigt, aber all diese Dinge weiß ich und kann sie umsetzen. Ich habe in diesem November nicht nur das Schreiben an sich wiedergefunden, sondern anscheinend auch gelernt, wie man Geschichten überarbeitet, um sie besser zu machen. Wie man mittendrin den Kurs ändert, damit am Ende alles passt, ohne dass man die gesamte Geschichte verändert. Und ich weiß, dass ich es doch kann: Schreiben. Geschichten erfinden, die vielleicht sogar mal jemand lesen mag. Gerne liest. Das ist eine wunderbare Erkenntnis!

Ich werde den Roman in aller Ruhe fertig schreiben und so überarbeiten, dass er rund wird. Vielleicht brauche ich dafür drei Monate, vielleicht ein Jahr. Es ist nicht wichtig – wichtig ist nur, dass ich das Schreiben wiedergefunden habe. Und dass meine Figuren lebendig geworden sind und mir gezeigt haben, dass nicht nur das echte Leben selten so verläuft wie geplant, sondern auch das erfundene. Ich kann als Autor noch so gut planen – wenn ich mich sklavisch an den Plan halte, anstatt der natürlichen Entwicklung des Romans zu folgen, wird er aller Voraussicht nach sehr statisch werden, anstatt sich organisch und lebendig anzufühlen, als schaue man beim Lesen echten Menschen beim Leben zu.