Rezension Die Spiegel von Kettlewood Hall von Maja Ilisch

Vor ein paar Jahren bekam ich Das Puppenzimmer von Maja Ilisch in die Finger und habe es mit wachsender Begeisterung gelesen. Als ich also mitbekam, dass ein neuer Gaslicht-Roman von ihr erscheint, musste ich ihn unbedingt haben (das war das Buch, das ich bestellt habe, um dann gleich zwei weitere mitzunehmen bei der Abholung – ja, ich kaufe Bücher nach wie vor gerne im örtlichen Buchhandel).

Wie auch im ersten Roman begeistert mich hier die Sprache ganz besonders. Maja Ilisch gelingt es, ihrer Protagonistin eine authentische Stimme zu verleihen, die einem das Gefühl gibt, wirklich einer Vierzehnjährigen aus dem späten neunzehnten Jahrhundert zuzuhören, ohne dass es ins Kindliche oder Lächerliche abrutscht. Das alleine macht das Buch zu einem wahren Lesegenuss.

Worum es geht:
Die vierzehnjährige Iris Barling stammt aus sehr einfachen Verhältnissen. Sie ist das uneheliche Kind eines ehemaligen Hausmädchens, das sich und ihre Tochter nun mit der Arbeit in einer Spinnerei über Wasser hält. Sobald Iris alt genug ist, geht sie ebenfalls in der Fabrik arbeiten, und dass die Großmutter zu den beiden Frauen zieht, macht die Situation keinesfalls besser.
Bei einem Unfall in der Fabrik verliert Iris zwei Finger, dennoch geht sie tapfer weiter arbeiten – was soll sie auch anderes tun?
Doch dann stirbt ihre Mutter und Iris muss sich und die Großmutter durchbringen. Zudem wird ein neues Gesetz erlassen, das Kindern nicht erlaubt, länger als acht Stunden zu arbeiten und ihnen zudem zwei Stunden Unterricht am Tag verordnet. Iris sitzt wie alle anderen die Zeit völlig übermüdet im Klassenzimmer ab, lernt mühselig ein wenig Lesen und schreiben, während Handarbeiten ihr aufgrund ihrer verkrüppelten Hand sehr schwer fallen.
Eines Tages erinnert sie sich wieder an die alte Schachfigur, die sie als Kind bei ihrer Mutter fand. Und mit Hilfe ihres Lehrers lernt sie nicht nur die Grundregeln des Schachspiels, sondern findet auch heraus, wo ihre Mutter damals angestellt war. Sie will weg aus Leeds, weg von ihrer garstigen Großmutter und versuchen, ihren Vater zu finden. Und das Geheimnis ihrer Herkunft scheint in Kettlewood Hall zu liegen.

Iris schafft es mit Hilfe ihres Lehrers, dorthin zu kommen und sie wird empfangen wie die längst verlorene Tochter. Nach und nach muss sie erkennen, dass nichts von dem, was sie hier sieht und erlebt, wahr ist, dass alle ihre Geheimnisse und gute Gründe haben, diese vor Iris zu verbergen. Und abgesehen von den zwei riesigen, unheimlichen Hunden, die Iris schon immer in ihren Träumen begegnet sind und denen sie in Kettlewood Hall nun leibhaftig gegenüber steht, lebt etwas in den Spiegeln, nicht greifbar, doch immer aus dem Augenwinkel zu sehen.
Iris beschließt, die Geheimnisse zu lüften und sich auf das Spiel einzulassen, das fünfzehn Jahre lang nur auf sie gewartet zu haben scheint.

Der Roman ist intelligent komponiert und gibt nach und nach erst Preis, worum es wirklich geht. Dass die Perspektive durchgehend auf Iris liegt, macht es besonders vergnüglich, mit ihr mitzuraten, was denn nun wirklich los ist und warum sich die Bewohner Kettlewood Halls so seltsam verhalten. Die vielen kleinen und größeren Anspielungen auf Lewis Carrolls „Alice in Wonderland“ machen den Roman zu einer Hommage an ein Buch, das nicht nur (siehe Nachwort / Danksagung) Maja Ilisch schon sehr lange begleitet, sondern auch mich seit meiner frühesten Kindheit fasziniert hat – so sehr, dass ich vor vielen Jahren ein Seminar in der Anglistik über dieses Buch belegt habe und fasziniert war und bin, wie vielschichtig es wirklich ist. Diese Vielschichtigkeit ist auch Maja Ilisch in ihrem Roman gelungen und ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, weil ich immer tiefer hineingezogen wurde und unbedingt wissen wollte, wie sich am Ende nun alles auflöst.
Dass es keine „Deus ex machina“-Lösung gibt, gefällt mir tatsächlich sehr gut. So kommt das Buch zu einem Ende, lässt dem Leser aber genug Spielraum, die Geschichte in seinem Kopf weiterzuspinnen, ohne dass es lose Fäden gibt, deren Auflösung es noch bedurft hätte.

Tatsächlich mal wieder ein Roman, der von mir ohne Zögern fünf Sterne erhält.

Maja Ilisch: Die Spiegel von Kettlewood Hall
Knaur 2018
ISBN: 9-78-3-426-52078-9
€ 9,99 (D) / €10,30 (A)

Rezension Obsidian – Schattendunkel von Jennifer L. Armentrout

Nachdem ich jetzt lange Zeit nur sehr wenig und vorwiegend Sachbücher gelesen habe, komme ich nach und nach wieder dazu, auch Belletristik zu lesen. Und auch, wenn ich einige Bücher nicht rezensiert habe, weil es mir an Zeit und Muße mangelte, will ich doch endlich wieder damit anfangen.

Obsidian von Jennifer L. Armentrout ist mir schon vor einiger Zeit ins Auge gesprungen (autsch!), aber ich habe es nie mitgenommen. Als ich neulich eine Woche Urlaub hatte und ein bestelltes Buch abgeholt habe, durfte es endlich mit. Ich mag das Wort Obsidian und auch den Stein, den es benennt. Es ist für mich etwas Geheimnisvolles, Dunkles, Märchenhaftes. Vom Klappentext her wusste ich immerhin, dass ich Jugendfantasy in der Hand halte, und ich fühlte mich ein wenig an die Twilight-Serie erinnert. Was nicht grundsätzlich positiv zu sehen ist.

Dann fing ich an zu lesen. Und ja, die Ähnlichkeit blieb. Ein junges Mädchen an der Grenze zum Erwachsenwerden zieht in eine verschlafene Kleinstadt und lernt einen atmberaubend gut aussehenden Typen kennen, der sich ihr gegenüber ekelhaft abweisend verhält. Und dann freundet Katy sich mit seiner Schwester an. So weit, so bekannt. Gähn. Die ständige Betonung, wie unglaublich gut alle aus seiner Familie und seinem Freundeskreis aussehen, ließ mich fast das Buch weglegen. Aber dann war plötzlich etwas anders. Statt einer Damsel in Distress bekam ich ein selbstbewusstes Mädchen, das für sich und ihre Ziele einsteht und dem ekelhaft gut aussehenden und ebenso arroganten Kerl doch tatsächlich Paroli bietet. Die Spaghettiszene (lesen, Leute, ich verrate doch nicht alles!) hat mich zum Schmunzeln gebracht. Und die kleinen Seitenhiebe auf Twilight sowieso.

Und ja, ihre neuen Freunde sind so viel stärker, schöner und toller als sie, dass sie hin und wieder Katy retten, aber netterweise schafft Katy es eben auch, für die anderen einzustehen und mit ihren ganz normalen menschlichen Fähigkeiten Übermenschliches zu bewirken.

Am Ende des Buches ist die Story noch lange nicht vorbei, es folgen noch vier weitere Romane dieser Reihe, und auch, wenn mich das Buch nicht völlig vom Hocker gerissen hat, ließ es sich angenehm genug lesen, um wissen zu wollen, wie es weitergeht. Und ob Katy sich weiterhin behauptet und ihren wunderbar selbständigen Kopf behält.

Fazit: Ein netter Roman für Zwischendurch, ein bisschen in Richtung Twilight, aber ohne das ganze hilfloses-Mädchen-Getue und als Liebe verpacktes Stalking. Gefällt mir, bekommt 3,5 Sterne.

Jennifer L. Armentrout: Obsidian. Schattendunkel
Carlsen Taschenbuch, 2018 (Deutsche Erstausgabe 2014)
ISBN: 978-3-551-31601-1
€ 9,99 (D) / 10,30 (A)

Die FAZ und das vorletzte Jahrhundert

Sehr geehrte FAZ,
 
mir begegnete in meiner Facebook-Timeline ein Artikel, der mich tatsächlich zunächst sprachlos gemacht hat. Wer mich kennt weiß, dass das wirklich selten vorkommt.
Offensichtlich wurde er auf Ihrer online-Seite veröffentlicht, ob er es auch in die Printausgabe geschafft hat, weiß ich zum aktuellen Zeitpunkt nicht.
Es geht dabei um diesen Artikel:

Ich habe selten so viel Unsinn auf einem Haufen gelesen – und ich beschäftige mich mit Menschen, die Verschwörungstheorien anhängen.

Kinder haben also Defizite, wenn sie von einem gleichgeschlechtlichen Paar großgezogen werden und daher nie beide Geschlechter nackt sehen können, sie werden missbraucht, weil die Inzestbarriere fehlt und überhaupt fehlt es ihnen an ihrer Identität, wenn die Eltern nicht die leiblichen sind?

Tja – letzteres kommt vor, ist aber völlig unabhängig davon, ob ein Kind von zwei Männern, zwei Frauen, Mann und Frau oder sogar genderfluiden Personen aufgezogen werden. Adoptierte Kinder sind irgendwann immer auf der Suche nach ihren Wurzeln, das ist normal und hat nichts mit den Geschlechtern ihrer Eltern zu tun.
Dass homosexuelle als per se pädophil dargestellt werden, hat mich kurz den Kalender prüfen lassen. Ja, wir haben 2017. Ein Jahr, in dem diese These seit einigen Jahren, wenn nicht schon Jahrzehnten als überholt gilt. Mich würde ja der zugrundeliegende Gedankengang interessieren – ist der vergleichbar mit der kruden These, dass Menschen, die aufs gleiche Geschlecht stehen, dauergeil und ohne Hemmungen durch die Gegend rennen und alles begatten, was nicht bei drei auf dem Baum ist? Willkommen im 21. Jahrhundert: Auch diese These ist inzwischen nur noch lächerlich und entbehrt jeglicher Grundlage.
Und was um alles in der Welt hat der Kinderwunsch mit der eigenen Sexualität zu tun? Ich bin eine (mehr oder weniger) heterosexuelle Frau, die keinen Kinderwunsch mehr verspürt und deren Kinderwunsch auch nie groß genug war, um ihn umzusetzen. Ich kenne reichlich heterosexuelle Menschen (Männer und Frauen), die nie einen Kinderwunsch hatten. Ich kenne umgekehrt reichlich homosexuelle Menschen, die einen Kinderwunsch haben. Die eigenen Gene weitergeben zu wollen, ein Kind großzuziehen, ihm ein Zuhause geben zu wollen, es zu lieben (nur fürs Protokoll: platonisch versteht sich) und für es da sein zu wollen, sind menschliche Bedürfnisse. Und die darf jeder haben, völlig unabhängig davon, ob er nun heterosexuell, bi-, homo-, pan-, asexuell oder noch anders veranlagt ist.
Dass Kinder als Puppen angesehen werden, kommt vor. Meistens von sehr jungen Müttern aus traumatischen Verhältnissen, die sich ein Kind wünschen, das sie mit ihrer Liebe überschütten können, weil sie selber diese Liebe nie erfahren haben. Hier wird aber nie vorher hinterfragt, hier werden im besten Fall Mutter und Kind psychologisch betreut, oft wächst einfach die nächste Generation in unausgewogenen emotionalen Verhältnissen heran.
Ich kenne Menschen, deren Väter sich irgendwann von der Ehefrau trennten und ihrer Homosexualität folgten. Sie waren dadurch keine schlechteren Väter, weder vor ihrem Coming Out noch danach. Sie waren auch keine besseren Väter als ihre Heterosexuellen Geschlechtsgenossen. Sie waren einfach Väter mit allen Eigenschaften, die Väter so haben. Mal überbeschützend, mal ein bisschen zu sorglos, mal streng, mal nachgiebig, mal verständnisvoll, mal komplett auf der Leitung stehend.
Ihre Sexualität hat nichts verändert.
Das gleiche habe ich auch mit lesbischen Müttern erlebt. Und ich wage zu behaupten, dass das einfach so ist: Menschen sind unterschiedlich gute Eltern, völlig unabhängig von ihrer Sexualität. Aber sie sind immer Eltern. Völlig egal, ob sie das Kind gezeugt bzw. geboren oder adoptiert haben. Und in der Regel bereiten Adoptiveltern sich einen Tick besser auf ihre Rolle vor, nicht zuletzt, weil die Vorgaben in Deutschland für Adoptionen so unglaublich streng sind.
Alles in allem ist dieser Artikel also ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die aus welchem Grund auch immer einfach die gleichen Rechte in Bezug auf ihre Beziehung haben möchten wie fast alle anderen auch.
Und es ist kein Artikel, dessen Abdruck ich der FAZ zugetraut hätte. Nichtmal online.

Rezension Sternensturm – Das Herz der Quelle von Alana Falk

Das Buch macht schon optisch etwas her. Hardcover mit einem wunderschönen, haptisch gestalteten Schutzumschlag, der gut zum Inhalt des Romans passt.

Der Roman ist für Jugendliche ab 14 Jahren gedacht, was ich überwiegend passend finde.

Zum Inhalt:
Der Roman ist abwechselnd aus der Sicht von Liliana und Adara geschrieben. Während Liliana die Verbindung mit ihrer magischen Quelle noch vor sich hat, hat Adara diese nicht nur bereits hinter sich, sondern auch einen schweren Schicksalsschlag erlitten, der ihr Denken und Handeln fast vollständig bestimmt.
Liliana ist eine unbekümmerte Achtzehnjährige, die in Auckland lebt und studiert und ihrer Aufgabe als Magierin mit Vorfreude entgegen schaut. Die Magier leben fast unerkannt unter den Menschen und beeinflussen die Natur, um so größere Katastrophen abzuwenden, die die Menschheit immer wieder und immer häufiger bedrohen. Die Welt der Magier teilt sich überwiegend in Magier und Quellen auf, die nur als verbundene Paare Magie wirken können. Es gibt jedoch auch Menschen ohne magische Fähigkeiten in der Gemeinschaft, die zum Teil im Rat sitzen, außerdem gibt es die Wächter, die den Paaren aus Magier und Quelle zugeteilt sind und – so weit ich es verstanden habe – die korrekte Anwendung der Magie überwachen.
Nach und nach verknüpfen sich die Ebenen von Liliana und Adara, worauf es jedoch wirklich hinausläuft, erfährt man erst recht spät. Ich bin verhältnismäßig früh darauf gekommen, was meinem Lesegenuss jedoch absolut keinen Abbruch getan hat.

Während Liliana entgegen ihrer eigenen Einschätzung ziemlich arrogant und herablassend ist, ist Adara gebrochen und nur noch darauf fokussiert, den Schicksalsschlag rückgängig zu machen. Beide haben eine besondere Beziehung zu ihrer Quelle, bei Liliana beginnt diese jedoch mit heftiger gegenseitiger Abneigung. Auch dass der Magiefluss zwischen Chris und ihr anfangs stark blockiert ist und die beiden sich einer lebensbedrohlichen Prüfung unterziehen müssen, macht es nicht leichter, doch letztlich finden sie zueinander und können gemeinsam Magie wirken.

Adara hingegen muss sich irgendwann entscheiden, ob sie egoistisch oder altruistisch handelt, ob sie sich für die Liebe oder für das Wohl der Allgemeinheit entscheidet. Und um diese Entscheidung beneide ich sie absolut nicht.

Ein bisschen schade finde ich, dass manche Dinge nur angerissen, aber nicht erklärt werden. So bewirkt der Magiefluss zwischen Magier und Quelle eine starke körperliche Anziehung, gleichzeitig sind jedoch Beziehungen zwischen ihnen vom Rat strengstens verboten. Es wird jedoch nicht erklärt, woher dieses Verbot rührt, so dass es ein bisschen konstruiert wirkt, um Liliana und Chris künstlich Steine in den Weg zu werfen.

Auch die Hintergründe des Rates werden nicht erklärt (ich hoffe, dass man im zweiten Band mehr darüber erfährt), was mich ein wenig unwillig zurückgelassen hat.

Alles in allem jedoch empfinde ich das Buch als sehr gelungen und habe es regelrecht verschlungen. Alana Falk hat einen sehr angenehmen, flüssigen Schreibstil, der nicht aufgesetzt, sondern sehr natürlich wirkt, und sie ist in der Lage, Landschaften und Orte so so beschreiben, dass ich sie wie einen Film vor meinem inneren Auge sehen kann, ohne je in Neuseeland gewesen zu sein.

Ich hoffe, es ist kein zu großer Spoiler, wenn ich schreibe, dass es mich besonders gefreut hat, eine sehr vielschichtige Figur im Sinne eines Severus Snape im Buch „gefunden“ zu haben. Ich mag es, wenn Figuren dreidimensional angelegt sind und unvorhergesehen handeln, ohne dass sie sich selber dabei untreu werden.

Das Ende war anders, als erwartet, anders, als teilweise erhofft, aber dennoch – oder gerade deshalb – ein sehr gutes Ende.

Ich freue mich auf den zweiten Teil, der leider erst für 2018 angekündigt ist. Übrigens kann der erste Band problemlos für sich alleine gelesen werden, da er zwar einiges offen lässt, aber dennoch in sich abgeschlossen ist.

Alles in allem vergebe ich 4,5 Sterne.

Alana Falk: Sternensturm – Das Herz der Quelle
Hardcover
Arena 2017
ISBN-13: 978-3401602905
€ 16,99

Rezension Vielleicht morgen von Guillaume Russo

Der Roman kam zu mir als spontane Urlaubslektüre. Ich suchte nach netter, unkomplizierter Unterhaltung und wurde diesbezüglich nicht enttäuscht.

Emma lebt in New York, Matthew in Boston. Nach dem Tod seiner geliebten Frau Kate zieht er seine Tochter alleine groß, geplagt von Depressionen und ohne rechten Lebenswillen.

Eines Tages findet er durch Zufall einen recht gut erhaltenen Laptop auf einem privaten Trödelmarkt und kauft ihn. Entgegen der Aussage des Verkäufers sind noch Bilder der Vorbesitzerin darauf und er nimmt zu ihr Kontakt auf. Emma hingegen ist irritiert, dass jemand ihren Laptop zu besitzen glaubt, da sie an selbigem die Mail von Matt empfängt. Nachdem sie zunächst davon ausgeht, dass er sich geirrt haben muss, entwickelt sich ein reger Mailverkehr, und schließlich verabreden sie sich zu einem Date.

Und spätestens hier merkt der Leser, was ich schon geahnt habe: Wir haben eine Zeitreisegeschichte.

Leider begeht Guillaume Russo wirklich alle Fehler, die man bei diesen Geschichten begehen kann, was mir das Buch sehr verleidet hat. Das hätte man besser und cleverer lösen können, ohne der Geschichte einen Abbruch zu tun – im Gegenteil, sie hätte dadurch nur gewinnen können. Das beste positive Beispiel für funktionierende Zeitreisegeschichten (und selbst da haben sehr aufmerksame Kritiker noch kleine Fehler gefunden) war „Die Frau des Zeitreisenden“. Guillaume Russo scheint sich des Zeitparadoxons nicht bewusst zu sein oder es war ihm egal, dass eine Veränderung in der Vergangenheit auch die Zukunft beeinflusst, so dass es nicht mehr zu dem Ereignis kommen kann, das wiederum die Veränderung in der Vergangenheit bewirkt hat.

Dass gerade die perfekte Ehefrau ein doppeltes Spiel spielt und alles andere als lieb und nett ist, nimmt man ihr nicht so recht ab – zumal es einfachere Pläne geben muss, als jemanden zu heiraten, nur um ihn dann Jahre später buchstäblich dem Geliebten zu opfern. Was muss in einem Menschen vorgehen, damit er in der Lage ist, einerseits einen perfekten Mord zu planen (der selbstverständlich nicht perfekt ausgeht), und andererseits mit dem späteren Opfer ein glückliches, verliebtes und vermutlich auch sexuell sehr erfülltes Leben zu führen? Zumal sie nie wissen konnte, wie lange sie das Spiel würde spielen müssen. Hier hätte ich mir ein wenig mehr Einblick in ihre Psyche gewünscht, stattdessen musste ich es mit einem schalen Geschmack im Mund akzeptieren (was mir nicht gelang).

Da ich mich trotzdem ganz gut unterhalten fühlte und wissen wollte, wie es am Ende aufgelöst wird, gibt es drei Sterne. Sprachlich war es flüssig und angenehm zu lesen, wie man es von Büchern dieser Art erwartet. Keine hochgeistige Literatur, aber zum Glück auch nicht hingerotzt (was ich auch schon erlebt habe).

Rezension Jules Welt von Marina Boos

Jules Welt – Das Glück der handgemachten Dinge ist laut Buchcover ein Kreativ-Roman. Das Cover ist schon mal sehr ansprechend gestaltet mit einem ausgeschnittenen Herz, durch das man auf ein dahinter liegendes Bild schaut, alles sehr liebevoll gezeichnet.

Jule heißt eigentlich Jolanda, lebt in Frankfurt und will als Journalistin Fuß fassen. Doch erst zieht eine ihrer beiden besten Freundinnen weg, dann bekommt sie eine Ablehnung und schließlich überredet ihre Oma sie, ihr vorzeitiges Erbe anzunehmen und den heruntergekommenen Gasthof im Heimatdorf der Oma zu übernehmen. Dieser steht seit Jahren leer und ist vollgestopft mit alten Möbeln, alten Zinnkrügen und noch einigem Zeug, das nicht in Jolandas Konzept passt.
Der Roman beschreibt sehr schön, wie die in Bezug aufs Dorfleben völlig naive Städterin gegen alle Widrigkeiten den Gasthof „Zur Linde“ renoviert und dabei wenige Fettnäpfchen auslässt. Sie gewinnt aber auch Freunde im Ort und die täglichen Zettel mit Inhalten wie „kein Starbucks in Müggebach!“ verarbeitet sie kreativ in ihrem neuen Gastraum.

Im Text gibt es immer wieder Stellen, in denen Jules kreative Arbeit eingehend beschrieben wird, ohne dass man das Gefühl hat, mitten in einer Bastelanleitung zu stehen. Diese sind am Ende des Romans gesammelt und jedem Kapitel folgt eine Seite für eigene kreative Ideen.

Sehr gut gefallen hat mir, dass Jule mit beiden Beinen im Leben steht und kein hilfloses Mädchen wird, sobald ein Mann mit Werkzeug im Türrahmen steht. Im Gegenteil, sie geht selbst souverän mit verschiedenen Schleifern, Bohrmaschine und allerlei weiterem Werkzeug um und hat gar keinen Kopf für einen Ritter in strahlender Rüstung. Der auch nicht auftaucht. Ein winziges Bisschen Romantik gibt es, aber nicht kitschig, nicht überladen, sondern völlig überzeugend untergebracht.

Auch die Dorfbewohner sind sehr menschlich gezeichnet. Man sieht sie alle vor sich, wie sie Jule teils skeptisch, teils neugierig und teils ablehnend betrachten, jeder mit seinen ganz eigenen Motiven dafür, wie er Jule gegenübertritt. Und auch typisch fürs Dorf ist, dass alle etwas wissen, aber niemand sich die Mühe macht, Jule einzuweihen. Denn schließlich ist es doch allgemein bekannt, oder?

Am Ende hatte ich eigentlich nur noch eine Frage: Woher kam Berthe? – Und wer wissen will, wer Berthe überhaupt ist, der sollte den Roman lesen, denn er macht wirklich Spaß, ist herrlich erfrischend und zeigt eine ganz normale junge Frau in einer normalen Situation, kein Überwesen, wie es so häufig in Frauenromanen vorkommt.

Fazit: Sehr gerne gelesen!

Schreiben mit der Schneeflockenmethode

Ich habe auch den Winter über nicht viel geschrieben, es fühlte sich immer an, als sei Schreiben gerade einfach nicht dran.

Als ich mir gerade ein neues Hobby suchen wollte (Makrameeeulen zu klöppeln zum Beispiel), kamen zwei Dinge zusammen: Ich habe mich mal wieder extrem über Verschwörungstheoretiker geärgert und ich bin über die Schneeflockenmethode gefallen. Und nun sitze ich mit einem schlechten Romananfang hier, den ich komplett verwerfen will und bastle seit gestern mit der Schneeflockenmethode an meinem Plot und meinen Figuren. Ich habe bisher die ersten beiden Schritte von zehn hinter mir, wobei mich inzwischen beim weiteren Durchlesen des Buchs von Randy Ingermanson der Gedanke ansprang, dass „Verschwörungstheorien“ kein geeigneter Gegenspieler ist, also hopste selbiger vom Surfbrett und stellte sich kurz vor. Er ist unglaublich sympathisch, was es bestimmt nicht einfach macht, gegen ihn anzukommen, aber das ist ja auch Teil des Problems.

Kurz gesagt: Ich habe gerade zum ersten Mal so richtig Spaß am Plotten, finde massive Löcher und Logikprobleme und gehe sie nach und nach an, damit am Ende hoffentlich ein dichter Plot mit dreidimensionalen Figuren entsteht, aus dem ich dann die Geschichte schreibe. Ich werde hier nach und nach berichten – vorerst habe ich einen Romanthread im Tintenzirkel eröffnet, in dem mir ganz hervorragend geholfen wird und der mir sehr viel Spaß macht.

Und am Ende übernehme ich dann die Weltherrschaft – ach nein, das ist der falsche Text. 😉

Selbstzweifel, die erste

Tja, angeblich leiden ja alle Autoren hin und wieder an Selbstzweifel und Schreibblockaden. Die meisten schreiben davor und danach aber durchaus brauchbare Texte, weshalb sie sich trotzdem Autoren oder Schriftsteller nennen dürfen.

Und ich? Ich sitze gerade hier und bin unzufrieden. Seit Tagen habe ich nichts geschrieben, und als ich gestern mein Dokument geöffnet habe, passierte Folgendes:

Ich las die letzte szene noch mal, um wieder in den Text zu finden. Den „besten“ Klopper hatte ich schon während des Schreibens markiert, um ihn zu überarbeiten. Wollt ihr ihn sehen?

„Als auch er draußen ist und die Tür zugezogen hat, nachdem er sich vergewissert hat, dass sie einen Schlüssel dabei hat, schließt sie ab.“

Literarisch absolut hochwertig, nicht wahr? Meine Anmerkung dazu lautet auch entsprechend: „Hat – hat – hat – den Satz üben wir noch mal, Frau Bloos!“

Tja, nun bin ich durchaus in der Lage, den Satz zu zerlegen, umzuschreiben und etwas Besseres draus zu machen. Das Hauptproblem des Textes ist aber ein anderes: Er transportiert nichts. Keine Emotionen, keine Bilder. Telling in schlechtester Reinkultur. Und nein, die einzelnen Sätze einfach ins „show“ zu setzen, ändert nicht viel. Denn der ganze Text ist flach, platt und belanglos. Ich sehe meine Figuren nicht vor meinem geistigen Auge, ich habe keine Vorstellung von den Orten, an denen sie sind (doch, die „Standardorte“ haben inzwischen ein Aussehen, das Haus der Familie und das Büro des Vaters) und viel schlimmer: Ich transportiere nicht mal diese winzigen Bruchstücke einer Vorstellung.

Wenn ich als Autorin beim Lesen schon überlege, was der langweilige Scheiß eigentlich soll, wie soll ich damit auch nur einen Leser hinter dem Ofen hervorlocken? Vermutlich gar nicht.

Natürlich könnte ich den Text fertig schreiben, um wenigstens das getan und meine Message in Buchstaben gezwängt zu haben, aber will ich das? Will ich mit einem Text von Verlag zu Verlag tingeln, mir haufenweise Absagen einhandeln, von denen ich weiß, dass sie gerechtfertigt sind?
Oder will ich das Ding in der virtuellen Schublade verrotten lassen, weil ich halt schon weiß, dass ich damit nicht mal Klopapier bedrucken sollte?

In meinem Kopf ist es eine komplexe Geschichte, in der verschiedene Menschen nach und nach merken, dass ein weiterer in ihrer Mitte nur auf sich und seinen Vorteil bedacht ist, obwohl er eben auch sehr liebevoll, zärtlich und fürsorglich sein kann, letztlich aber nie altruistisch, sondern immer narzisstisch handelt. In meinem Kopf sind hier Intrigen und Verwirrspiele beteiligt und sechs Menschen, deren Innerstes nach und nach zutage gefördert wird und durch deren Perspektiven sich das Bild zusammenfügt.

Tatsächlich habe ich bisher sehr viele Einzelszenen, von denen manche okay sind, die meisten aber einfach völlig egal. Wenn ich ein gutes Buch lese, dann halten mich die Szenen und die Figuren gefangen, auch nachdem ich es aus der Hand gelegt habe. Meine Figuren machen das nicht mal, während ich schreibe.

Mir stellt sich derzeit die Frage, ob ich tatsächlich nicht schreiben kann und es aufgrund meiner talentfreiheit auch zukünftig lassen sollte, oder ob man das Schreiben nicht wie jedes Handwerk lernen kann. Und wenn das geht, dann frage ich mich, wie.

Die Tipps, die ich bekomme, laufen meist auf „Üben, üben, üben“ hinaus. An und für sich nicht verkehrt, aber wenn man niemanden hat, der einen korrigiert und einem sagt, wie man es besser, anders, effektiver macht, dann hilft es nicht.
Ich sehe ja, wie schlecht meine Texte sind, ich kann genau den Finger auf die Wunden legen, aber ich weiß nicht, wie es besser geht.

Autoren wie Juli Zeh, Leonie Swann oder Sergej Lukianenko (um nur einige derjenigen zu nennen, die mich in den letzten Monaten beeindruckt haben) machen das so nebenbei. Sie malen Bilder mit wenigen Worten, die sich vor meinem geistigen Auge entfalten. Sie sind großartige Erzähler, denen man gerne folgt, auch wenn nicht immer „show“ ihren Stil leitet. Und sie haben so unglaublich geniale Einfälle, dass ich gleichzeitig staune, kichere und vor Neid erblasse.
Und ich? Ich lese das, ich analysiere es, aber ich habe nicht den leistesten Schimmer, wie man so schreibt.

Vielleicht sollte ich Makramee-Eulen klöppeln. Oder für den Rest meines Lebens Konsument bleiben, denn Lesen mag und kann ich. 😉
Vielleicht finde ich aber irgendwann noch heraus, wie man es macht. Denn immer, wenn ich das Schreiben aufgeben will, kommen Ideen vorbei. Nur leider bringen sie keine Ausführung mit.

Herausforderung 777

Veronika Bicker, Sarah König, und Elena Lidenbrock haben mir die Herausforderung 777 zukommen lassen. Dabei soll man 7 Sätze von Seite 7 des aktuellen Werks bei Facebook oder im eigenen Blog posten und dann 7 Kollegen/Kolleginnen auffordern, das Gleiche zu tun. Das macht natürlich neugierig auf die Werke.

Hier also nun meine noch unbearbeiteten 7 Sätze:

„Was hast du dir davon erwartet, zurückzukommen? Ausgerechnet jetzt, zur Beerdigung?“ Der Tonfall ihrer Mutter war nicht anklagend, aber auch nicht freundlich. Neutral, distanziert, in Hab-acht-Stellung.

Janna zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich ihm wenigstens das schuldig bin.“

Ich fürchte, die meisten, die ich kenne, wurden bereits herausgefordert. Ich gebe mal weiter an:

Rai Ko
Markus Heitkamp
Jördis Solbrittsdottir
Laura Eileen
An Brenach
Heinke Luckmann
Lizzy Kinle

Wettbewerb 2012 #1

So, nun habe ich meinen Vorsatz für den Januar wahrgemacht: Ich nehme an einem Literaturwettbewerb teil. Und weil es ja langweilig ist, seinen Text beim Blatt des örtlichen Kaninchenzüchtervereins einzureichen, habe ich mir nichts Geringeres als den MDR-Literaturwettbewerb gesucht.
Vor einigen Jahren, ich schätze, es dürfte etwa 2002 oder 2003 gewesen sein, habe ich bereits einen Text dort eingereicht, wurde aber nicht genommen. Zwischenzeitlich muss man bereits Veröffentlichungen vorweisen können, und ich habe glücklicherweise auch meine entsprechende Liste wiedergefunden. Fünf sind es, wenn man eine online-Veröffentlichung mitrechnet, die immerhin auch aus einem Wettbewerb entstand – nachzulesen hier: Bonjour Tristesse

Natürlich werde ich hier weder Titel noch Inhalt meines aktuellen Wettbewerbsbeitrages mitteilen, aber sobald ich eine Zu- oder Absage erhalte, teile ich es gerne mit! Ich bin jedenfalls sehr gespannt und hoffe, dass ich in diesem Jahr wenigstens eine weitere Veröffentlichung meiner Liste hinzufügen kann.